Parodie

 

Bezüglich G. A. Bürger ist dieses Gebiet in der Germanistik bisher kaum behandelt, in der aktuellen Bürger-Gesamtausgabe sind nur wenige erwähnt, obwohl es eine sehr grosse Anzahl solcher Werke gibt. Dabei ist nicht einmal restlos geklärt, was eine Parodie ist. Wir beziehen uns hier auf eine sehr weitgehende Definition:

Conversations-Lexikon oder kurzgefaßtes Handwörterbuch (1809-1811): “Die Parodie, (a. d. Griech,) ein Gedicht; im weiten Sinne, überhaupt ein Werk des Geschmacks, das man nach einem andern bekannten Gedichte oder ähnlichen Werke macht, welches letztere man durch zweckmäßige Veränderungen auf einen andern Gegenstand anwendet, oder gleichsam in einen andern Ton setzt.”
Dabei erfolgt keine Beschränkung auf Werke, die sich selbst ausdrücklich als Parodie bezeichnen oder Werke, die versuchen, ein komplettes Bürgersches Gedicht 1:1 abzubilden. Auf einen Aspekt ist hinzuweisen: eine Parodie wird als solche vom Publikum nur erkannt, wenn das zu parodierende Objekt allgemein bekannt ist. Diese Bedingung ist bei Bürger ohne Zweifel gegeben.

Bezüglich der aktuellen Sprachregelung findet man in der Wikipedia: “In der Literaturwissenschaft versteht man unter Kontrafaktur ein neu gefertigtes literarisches Werk, das von einem früheren Werk wesentliche Bestandteile der Form übernimmt.” und “Als Parodie wird die verzerrende, übertreibende und/oder verspottende Nachahmung eines Werkes; von Kontrafaktur spricht man (auch dann), wenn mit der Kopie keine solche Wertung verknüpft ist.”

Die hier wiedergegebenen Werke sind also streng genommen Kontrafakturen; da dieser Begriff jedoch nicht sehr verbreitet ist, bleiben wir wie zu Bürgers Zeiten bei Parodie.

Viel interessanter ist jedoch der Fakt, dass die Vielzahl der Parodien zu Bürgers Gedichten deren Bekannt- und Beliebtheit über einen sehr langen Zeitraum belegen. 

Weitaus die meisten Parodien beziehen sich auf die Lenore. Obwohl sie bereits 1774 veröffentlicht und unverzüglich populär wurde, erschienen Parodien vorzüglich erst etwa 50 Jahre später, dann aber sowohl im deutschen Sprachraum als auch in Frankreich und England. Im Folgenden wird eine kleine Anzahl von Lenore-Parodien geboten, eine Übersicht auch zu Parodien anderer Gedichte findet man

                       hier: Parodien.

Um einen besseren Überblick zu bekommen, sind dort die Parodien zur Lenore und zum Lied vom braven Mann wegen ihrer Häufigkeit in Gruppen von Jahrzehnten aufgeteilt. Hier sind einige Parodien ausgewählt:

Lenore       

 

Das Lied vom braven Mann
 

Die Entführung     

 

Münchhausen  
 

Die Weiber von Weinsberg
 

Das Mädel das ich meine     

 

Lenardo und Blandine

 

Der Kaiser und der Abt

 

Einzelstücke

 

Sonstiges

 

 

Lenore

Die bekannteste Parodie ist sicher:
        “Lenore fuhr ums Morgenroth,
        Und als sie rum war
        War sie tot.”
 

Merkwürdig ist die Geschichte der Lenore-Parodien vor allem deshalb, weil sie erst ein Viertel Jahrhundert nach Erscheinen des Originals begann und weil die ersten Parodien englischen Ursprungs waren. Es könnte bezeichnend für die unterschiedliche Literaturauffassung sein, dass die erste deutsche Parodie 1804 mit dem bezeichnenden Titel

Poetisch-prophetische Construction der Geschichte der Kantischen Philosophie, nebst einem geschwänzten Sonette, und einer neuesten Epoche in der deutschen Poesie. Eingesandt aus Jena.

erschien. Da waren 1796 /1797 bereits drei englische Parodien zur Lenore veröffentlicht: Lenoré von J. Halket; Miss Kitty: a Parody, on Lenora; a Ballad, Translated from the German by several hands, Edinburgh 1797 und von George Colman The Maid of the Moor, or The Water Fiends London 1797. Diesen drei Parodien ist gemeinsam eine starke erotische Note. Evelyn B. Jolles hat 1974 die ersten beiden Parodien analysiert und schreibt zur Lenoré: “Der erotische Witz durchzieht die Szenen, die das Mädchen außerhalb des Hauses zeigen, und gibt das Amüsement für den Leser her. Halkett verwendet sieben Vierzeiler darauf, die Wirkung zu beschreiben, die seine Heldin in ihrem unbekleideten Zustand auf sämtliche militärischen Grade der Armee, den König eingeschlossen, ausübt.” Zur Miss Kitty bemerkt sie: “Hinzu kommt, daß die Liebesleidenschaft der fünfzehnjährigen Kitty eine reiche Ernte für die Komik des Stückes einbringt. Der Par­odist benutzt die Frühreife des jungen Mädchens ferner dazu, unter dem Schein der Naivität der Heldin, erotische Dinge verhältnismäßig direkt zur Sprache zu bringen. Tatsächlich leitet sich ein Großteil der belustigenden Wirkung der Miss Kitty von der in ihr offen und versteckt dargebotenen Erotik her.”

Die Lenoré von John Halket enthält zwei farbige Illustrationen:
halket_sketch1
halket_sketch2


 

Nachtstücke aus der Traumbildergallerie. in Zeitung für die elegante Welt 13.6.1823
“Nein, so war es nicht gemeint! Wohl gruben sie, doch ach! kein Blumenbeet, kein Ackerfeld, sondern ein enges, tiefes Grab! Und jetzt erst,– so spät,– begann die Musik. Es war derselbe Gesang, welchen in Bürgers Leonore das gräßlichste Gesindel anstimmt, und welchen der Dichter dem ‘Unkenruf in Teichen’ vergleicht.
Ein leerer Sarg hob sich empor, und die Larven grinsten Karolinen winkend an.”

 

 

Bekanntmachung. Aus dem Großherzogthume Baaden. in Isis oder Encyclopädische Zeitung Heft 12 1823
„Was aber der Ausdrucke ‘Wir setzen Voraus, daß.. .-.. bis.... zu verschaffen’ zu bedeuten habe, werden die Besitzer der Hunde nothgedrungen nur einzusehen glauben, - ich verstehe es wenigstens nicht- bis gemeinschaftliche Mithülfe der geweckten Menschenliebe, einen neuen Schritt zur Aufklärung dieses Uebels versuchen wird. Doch es wird wohl noch lange heißen!
   Geduld. Geduld. wenn's Herz auch bricht
   Mit Gott im Himmel had're nicht.
   Des Leibes bist du ledig
   Gott sey der Seele gnädig!
            aus Bürger's Leonore.”

 

 

Zeitung für die elegante Welt vom 30. März 1824
“In der Münchener Akademie der W. ist nach dem Hesperus 1824. No. 39, eine Notiz des akademischen Astronomen S o l d n e r über den neuen Kometen verlesen worden, deren eigentlicher Inhalt gewesen, daß er ihn noch wenig beobachtet habe, daß aber die in den Zeitungen spukenden Beobachtungen des Kanonikus S t a r k in Augsburg auf astronomische Charlatanerie hinausliefen. Die Münchener Flora hat bei Gelegenheit dieses Kometen der dortigen Sternwarte das Epigramm angehängt:
 ‘Schläfst, Liebchen oder wachst du?’ Schlagender noch wäre folgende Travestie aus Bürgers Leonore gewesen:
   Graut Liebchen auch? Der Mond scheint hell,
   Hurrah! Kometen laufen schnell!
   Graut Liebchen vor Kometen?
   ‘Uh - ah!*) - Laß die Kometen!’
                 *) Gähn-Interjection.”
 

 

Lokales. in Der Bazar für München und Bayern 22.1.1833
“In Neuathen hat die Cholera die ‘Götter Griechenlands’ ergriffen. Die ‘Eos’ und die ‘Flora’ sind hinübergeschlummert zu ihren Lesern. Die ‘Eos’ fuhr schon ums Morgenroth des Jahres ab.”

 

 

Frankfurter Nationaltheater. in Frankfurter Ober-Post-Amts-Zeitung 4.5.1834
“Fazit des Urtheils über Hrn. Christ ist: Hr. Christ ist ein recht tauglicher Schauspieler für kleinere Bühnen, wo man K o m ö d i e spielt und keine M e n s c h e n darstellt. Woher der Mann auf unsere Bühne gekommen, das weiß der Himmel:
   ‘Sie frug den Heerzug auf und ab,
   Sie frug nach allen Namen,
   Doch keiner war, der Kundschaft gab,
   Von allen, die da kamen.’"

 

 

Aus meiner Reiseschreibtafel in Österreichisches Morgenblatt ; Zeitschrift für Vaterland, Natur und Leben 1.4.1839
"[...] und die Purschen aus Juther und Wegners Weinstube umstellten mich mit ungeheuren gußeisernen Flaschen, in denen der herrlichste Wein glühte und Marqueure pfropften mir alle Taschen voll mit süßsaurer Conditorei-Waare und Berliner Witzen, und um mich ertönte es im widerlichen Gesange der Sonntags-Currende, zu dem das fatale Glockenspiel den Takt schlug:
   'Geduld, Geduld, wenns Herz auch bricht,
   Mit Gott im Himmel hadre nicht;
   Bei Sonnenschein und Kerzenlicht
   Gedenke uns'rer, armer Wicht.'“

 

 

Sehr populär war die Lenore in England. Über einen Beitrag im Londoner Punch Vol. XII berichtet die Augsburger Allgemeine Zeitung vom 3. März 1847:

“Wir haben die beiden letzten Nummern des Punch vor uns liegen, und wollen aus ihrem reichen Inhalt hier nur einiges andeuten. Da steht unter den ‘Parlamentsgedichten’ eine nach Form und Inhalt wirklich meisterhafte Parodie: ‘Die neue Lenore, nach Bürger,’ illustrirt mit einem gleich trefflichen Holzschnitt. Das Agricultur-Interesse in der Gestalt eines feisten Pächters und Grafschaftsmitglieds, seufzt daß es von seinem Geliebten, dem ‘Zollschutz (protection)’, verlassen sey; da erscheint dieser um Mitternacht in der Gestalt Lord G. Bentincks auf gespenstigem Roß, die Agricultur-Lenore abzuholen. Sie reiten in sausendem Galopp; dem Grafschaftsmitglied, das sich ängstlich an Bentinck anklammert, fliegt der Hut vom Kopf, und ringsum schwebt ‘luftiges Gesindel,’ worunter die Hauptgruppe ein Sarg mit der Aufschrift ‘Korngesetz,’ getragen von Cobden, dem kleinen Russell und dem stattlichen Peel (mit der nie fehlenden hängenden Lorgnette über der Weste), und die Sargenden gehalten von vier Herzogen mit süßsauren Gesichtern, hinter denen Bright im flachen Quäkerhut hervorschaut. M. Herald und M. Post schweben als alte Damen (M. Herald heißt seit lange ‘Großmama’, mit Regenschirmen unter dem Arm, jammernd zur Seite, und unten reitet Lord Brougham, kenntlich an dem so oft wiederkehrenden Altreißengesicht, auf einem Besenstiel über dem Kirchhof, welchem Roß und Reiter entgegensprengen um dort in Zunder zu zerfallen. Die Leichensteine des Kirchhofs tragen die Namen schon früher schlafengegangener Gesetze, der ‘Pönalgesetze’ u. dergl.”
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Im Wiener Punch, 21. Dezember 1848 findet man “Wie die Todtenkopf-Legion ausreißt.”
todtenkopf-legion_1848_klein
“Er war vor uns'rer Heeresmacht
Entflohen schnell um Mitternacht,
Und hat im Blatt, im lieben,
Ein Wort nicht mehr geschrieben!
Und viel Gesindel, husch, husch, husch,
Kam hinter ihm geprasselt,
Die jedes einst, wie Herr Cartouche,
Durch Blätter hat gerasselt.
"Sasa, Gesindel, wo ist der Muth,
Daß Ihr so sehr laufen thut?"
- ‘Schön Dank, wir retten unsere Felle,
Die Todten reiten schnelle!’"

 

 

Die Einheit Deutschlands. in Innsbrucker Zeitung 11.12.1849
   “Geduld, Geduld, wenn’s Herz auch bricht,
   Mit Gott im Himmel had're nicht!
   Des Leibes bist du ledig,
   Gott sey der Seele gnädig!

Was aus selber geworden? was uns davon geblieben?– Ich weiß es nicht. Es müßte nur der Gattungsname: ‘deutscher Michel’ seyn. Nauwerk von Berlin sagte in der vierten Sitzung in der Paulskirche am 23. Mai 1848: ‘Es ist jedem Deutschen bekannt, daß während eines Menschenalters die deutschen Regierungen sich stets rasch vereinbarten, wo es Unterdrückung der Volksrechte galt; daß sie aber nirgends zur Einigung gelangten, wo Freiheit und Wohlfart der Deutschen es dringend erheischte. Daher noch heute die Zerrissenheit und Vielerleiheit, in welcher die wichtigsten Angelegenheiten der Nation verkümmern.’"

 

 

Die neue Leonore in Leuchtkugeln: Randzeichnungen zur Geschichte der Gegenwart — 6.1850 hat, wie viele andere Parodien auch, einen politischen Hintergrund.
leuchtkugeln 1850

“Rapp'! Rapp'! Mich dünkt, der Hahn schon ruft...
Bald wird der Sand verrinnen,
Rapp'! Rapp'! Ich wittre Morgenluft..
Rapp'! Tummle dich von hinnen! —
Vollbracht, vollbracht ist dieser Lauf!
Das Hochzeitbette thut sich auf.
Die Todten reiten schnelle!
Wir sind, wir sind zur Stelle.--

Rasch auf die Revolution
Ging's mit verhängtem Zügel.
Ein leichter Schlag zersprengte schon
Den Hecker, Struv' und Siegel.
Die Bajonette klirrten auf,
Und über Gräber ging der Lauf.
Es blinkten Leichensteine
Rundum im Mondenscheine.

Ha sieh! Ha sieh! im Augenblick,
Huhu! ein gräßlich Wunder!
Des Reichs Verfassung, Stück für Stück,
Fiel ab wie mürber Zunder.
Zur alten Willkür ward das Recht,
Der Bürger wiederum zum Knecht,
Die Einheit uns zur Ruthe
Mit Bundestag und Knute.

Hoch bäumte sich der Standrechtsrapp',
Und sprühte Feuerfunkem,
Und hui! war's unter ihm hinab
Verschwunden und versunken.
Geheul! Geheul im ganzen Land,
Gewinsel bis zum Meeresstrand,
Und Gotha's Herz mit Beben
Rang zwischen Tod und Leben.

Nun tanzten wohl beim Mondenglanz,
Rundum herum im Kreise,
Die Geister einen Kettentanz,
Und heulten diese Weise:
‘Geduld! Geduld! bis Alles bricht!
Mit den Ministern hadert nicht!
Der Kammern seid ihr ledig;
Gott sei den Fürsten gnädig!’”


Eine der umfangreichen politischen Parodien stammt von der deutschen Frauenrechtlerin Louise Dittmar, veröffentlicht im Der Wiener Postillon 1851:
Der deutsche Kaiser
Der Deutsche fuhr um's Morgenroth
Empor aus schweren Träumen:
‘Bist untreu, Freiheit, oder todt,
Wie lange willst Du säumen?’
Die Freiheit, nach der Herrmannsschlacht,
Gezogen in die dunkle Nacht,
Sie hatte nicht geschrieben,
Wo sie seitdem geblieben.

     [...]

Was klang dort für Gesang und Klang,
Was flatterten die Raben?
Horch Bundesnacht, horch, Todtensang:
‘Laßt uns den Leib begraben,’
Graut Michel auch? der Tag scheint hell,
Der todte Kaiser reitet schnell:
Graut Michel auch vor Todten?
‘Ach, laß sie ruh'n die Todten!’"

der vollständige Text

 

 

Der Wochenkrebs. in Der Humorist 10.10.1853
“Jetzt, wenn ein Papiertyphus eintritt, werden sie alle Engländer, sie essen in ‘Engländer's’ Gasthaus ein Gollaschfleisch, trinken ein Seitel Bier, wo sollen da die Lebensgeister wieder herkommen?
Der ‘W’ ruft ihnen noch immer zu! Es kommt zu Nichts, wer will mit mir kaufen?
   ‘Der ‘W.’ frug auf und ab,
   Er frug nach allen Namen;
   Doch Keiner Geld ihm dazugab
   Von Christoph und Abrahamen.’"


Der literarisch-artistische Nachbarbier. in Der Humorist 13.12.1854
“Also: La Grua — nicht da! — Dlle. Wildauer krank! Mad. Csillagh - halbkrank!— Wahrlich wir möchten fragen, wie soll Herr Cornet das Unmögliche möglich machen?! Wo findet er Sängerinnen?
   ‘Er frug den Heerzug auf und ab,
   Er frug nach allen Namen,
   Doch Keiner ihm noch Kundschaft gab,
   Von allen Primadamen!’
Wir hören, es sind mit Dlle. Ney Unterhandlungen angeknüpft; wollte Gott, es bliebe nicht bei Unterhandlungen.”
 

 

Morendonner und Kreiselmeier. in Nürnberger Beobachter 31.10.1854
kreiselmeier_1854

 

 

Die betrübte Abonnements-Karte. in Linzer Abendbote: Zeitschrift für Stadt und Land 7.12.1855
“Das ist zu viel! Ich bitte Sie daher inständigst, wenn Sie in der Rubrik, in welcher Sie die Theaterstücke anzeigen, entweder das unglückselige Wort ‘S u s p e n d u’ weglassen, oder geben Sie etwas A n d e r e s hinein. Meine häusliche Ruhe ist doch wenigstens gesichert; ist er einmal im Theater d'rin, dann mag er sagen, was er will, – aber zu Hause, geht freilich der Teufel aufs Neue los – nun Geduld, Geduld!
   ‘Wenn's Herz auch bricht!
   Mit den Abonnenten verdirb dir's nicht.’–
       Ihr ergebenstes
             wenigstrapizirtes
             Abonnementbillet.”

 

 

Bauprojekte über die Eisenbahn von Wien nach Linz in Wiener Telegraf 26.1.1855

bauprojekte1855

“Ein Antrag wurde in den Vordergrund geschoben, nämlich die neue Bahn so krumm wie möglich zu bauen, [...].”

 

 

Geduld, Geduld, wenn's Herz auch bricht! in Nürnberger Beobachter 21.8.1856
“Geduld, Geduld, wenn's Herz auch bricht! Vom Tiger fordre Sanftmuth nicht und Ehrlichkeit nicht von den Raben. Was kann der Fuchs für seine Natur? Drum mußt Du fordern das Rechte nur.”

 

Politikus Schnaunzel. in Nürnberger Beobachter 12.8.1856
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Anekdoten und Witzspiele. in Leitmeritzer Wochenblatt 6.12.1856
"Thaliens Jünger kommen doch ewig nicht aus der Bretterwelt.– Erst streben sie nach den Brettern – dann ist ihr ganzes Leben und Weben auf den Brettern – und treten sie einst von den Brettern, so kommen sie wieder zwischen die Bretter, nämlich zwischen die schauerlichen sechs Bretter und zwei Brettchen."

 

 

Bitte um Erhörung. in Dresdner Nachrichten 23.2.1859
“Schaffet, daß ihr seelig werdet, G e d u l d. In allem Kreuz und Unglück mein soll Hoffnung stets mein Anker sein, G e d u l d. Hoffnung, Hoffnung immer grün, wenn uns Armen Alles fehlet, wenn und Kält' und Hunger quälet, G e d u l d. Geduld, Geduld, wenn's Herz auch bricht, mit Deinem Schöpfer hadre nicht, G e d u l d.
  Ein hiesiger Bürger bittet edle Menschenfreunde um ein Darlehn von nur 10 Thlr. zur Aufhilfe seiner Handthierung. Näheres bei Herrn Kaufmann Schuster, Zahnsgasse Nr. 18 parterre.”

 

 

Farinage für Fanni. in Der Humorist 24.9.1860
“Die Italiener wollen aber auch die Freiheit. Dummes Zeug! Haben sie sonst keine Schmerzen? Jetzt, nachdem ich Italien zwei Länder abgekneipt habe. Nichts da! dulde ich solchen Unfug, wie die Freiheit ist, in Frankreich? Was Freiheit! Die Diktatur brauchen die Italiener. Wo werden sie aber einen Diktator hernehmen?

   Ich ging den Heerzug auf und ab
   Und frug nach allen Namen,
   Doch keiner den Diktator gab
   Von Allen die da kamen.
Es gibt nur Einen auf der ganzen Erde, welcher für den Diktator-Posten geeignet ist, welcher Haar auf den Zähnen und Knöpfe in der Zuchtruthe hat, und dieser Eine - bin ich!”
 

 

Lizitationsgegenstände. in Figaro 1.12.1860
lizitation_1860

 

 

Reichsrathsitzung vom 25.September in Vereinigte Laibacher Zeitung 28.9.1860
"Fürst Salm sagt, es sei gestern erwähnt worden, das Heil des Staates liege in einer Repräsentativverfassung, in der Annahme einer parlamentarischen Regierungsform. Er könne in solcher Meinung nur einen abgeblaßten Ausdruck Rotteck-Welker'scher Staatsweisheit erblicken. Die Einheit, wie sie von gegnerischer Seite ins Auge gefaßt werde, sei diejenige des Sarges, sechs Bretter und zwei Brettchen, in welchem jedes frische Leben erstickt wird und der Staatskörper einer Leiche gleich eingezwängt, da liegt."

 

 

Meister Fröschle's Illustrationen zu Bürger's Lenore in Fliegende Blätter 34.1861
“Lenore fuhr um’s Morgenroth / Empor aus schweren Träumen
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Und hatte nicht geschrieben, / Ob er gesund geblieben.
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Bist Wilhelm untreu oder todt, / Wie lange willst Du säumen?
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Der König und die Kaiserin, / Des langen Haders müde,
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Er war mit König Friedrichs Magd / Gezogen in die Prager Schlacht
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Erweichten ihren harten Sinn / Und machten endlich Friede.”
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Die Arad-Hermannstädter Bahn. in Die Presse 20.11.1862
“Wer kennt vor allem jenen mysteriösen ‘deutschen Culturverein’. der von der Großwardein-Klausenburger Entreprise gleich einem im entscheidenden Momente auftretenden ‘reichen Onkel aus Amerika’ mit einemmal vorgeschoben wird? Wer kennt ihn? Bis Dato hat sich noch niemand gemeldet, um ein befriedigendes Signalement über ihn abzugeben.-
   ‘Man frug die Börse auf und ab,
   Und frug nach allen Namen;
   Doch keiner war, der Kundschaft gab,
   Von allen, so da kamen.’"

 

 

Vermischtes in Neue Augsburger Zeitung 3.8.1863
“Aus der landwirtschaftlichen Ausstellung in Hamburg [...] Amüsant war nur das junge Volk der noch ganz unerzogenen kleinen Ferkel in ihrer drolligen Derbheit. Sie spielten ohne Ausnahme ihren geduldigen Müttern sehr übel mit, und führten dabei ein Concert auf, gegen welches ‘Unkenruf in Teichen’ Sphärenmusik ist.”

 

 

Nur keine Ueberstürzung! in Kladderadatsch 24.4.1864
“Wann setzt — wer sagt mir das sogleich? —
Die stolze Flotte von Oesterreich
   Dem Dänen sich zur Wehre?
Geduld, Geduld, wenn' Herz auch bricht!
Sie ist, wenn wahr ist, was man spricht,
   Schon — aus dem Mittelmeere.

Wann wird — der Däne schnappt zum Schreck
Die Briggs uns vor der Nase weg —
   Die Hilfe Oestreichs kommen?
Geduld, Geduld, mein lieber Sohn!
Sie war in Sicht in Lissabon
   Und ist gen Nord geschwommen.

Schon ist von Danske's ‘kühnem Griff’
Geraubt manch' gutes deutsches Schiff —
   Hilf Oestreich uns vor Schande!
Geduld, wenn's dir das Herz auch preßt!
Die Schiffe sind ja schon in Brest
   Und — holen Kohlen vom Lande.

Der ‘Kaiser’ und der ‘Schwarzenberg’,
Wann werden sie zum Rettungswerk
   Die starken Segel spreizen?
Geduld! Sie rasten nur zur Stund',
Sie ankern schon in Texels Grund
   Und werden — nächstens Heizen.

Und wann, du Admirals-Corvett',
Wann wirst denn du, ‘Elisabeth,’
   Die schmucken Taue spannen?
Ich bin noch in der Adria —
Geduld, Geduld, ich komme ja;
   Will mich nur erst bemannen!

O komm herbei in raschem Flug!
Wann seh' — Gefahr ist im Verzug —
   Ich deine Wimpel glänzen?
Geduld! Ich komm' — zum Friedensschluß,
Und salutir' mit dem ersten Schuß
   Die — Londoner Conferenzen!
        Kladderadatsch.”

 

 

Feuilleton. Musik. in Wiener Zeitung 20.11.1866
“Sonst möchten wir aber dieses Concert im Allgemeinen nicht zu den von besten Sternen beschienenen zählen. Schwankungen mancherlei Art machten sich fühlbar, besonders bei ‘Rosamunde’; die Clarinetten waren ‘Unkenruf in Teichen’, das Publicum verhielt sich ruhiger, gemessener denn sonst, obwohl es sehr zahlreich vertreten war.”

 

 

Deutsche Weisen mit Nachklängen. in Figaro 23.6.1866
„Das Volk steht auf, der Sturm bricht los,
Es gießt Kanonen der Franzos.

‘Wohlauf, wohlauf über Berg und Fluß’
Der Hannoverkönig fortzieh'n muß.

‘Leb' wohl, du theures Land, das mich geboren,’
Ich habe meinen Kopf beinah' verloren.

‘Ein freies Leben führen wir’
In Holstein und in Sachsen hier.

‘Du Schwert an meiner Linken!’
Laßt Bruderschaft uns trinken.

‘Was ist des Deutschen Vaterland?’
Schreit B r a ß mit Frankreichs Ordensband.

‘Ueber diesen Strom vor Jahren’
Preußen einst geschlagen waren.

‘Das ist der Tag des Herrn,’
Kanonen donnern fern.

‘Geduld, Geduld, wenn's Herz auch bricht,’
Mit Kriegsgesetzen had're nicht.”
 

 

Passende Lieder für den österreichischen Staatsminister. in Champagner: humoristisch-satyrisches Wochenblatt. 9.2.1867
“Wo bleibt mein Geld, so frag' ich alle Tage.
  O, du lieber Augustin, alles ist hin.
   Ja, das Gold ist nur Chimäre.
    O Mutter, hin ist hin,
    Verloren ist verloren!
   Was fang' ich armer Teufel an!!?
Ich hab mein Sach' auf Nichts gestellt - O weh!”

 

 

Delegations-Bankett. in Figaro 15.2.1868
“Wie es vielleicht später einmal von den Ungarn arrangirt werden dürfte.
  Der Bankettsaal ist durch eine Glaswand in zwei Hälften getheilt; die Abtheilung für Ungarn ist von Gaslicht hell erleuchtet. Ueber dem Sitze des Präsidenten stehen in goldenen Lettern die Worte:
       Parität, 30 Perzente oder Nichts.
Die cisleithanische Saalhälfte ist durch ‘Schusterkerzen’ erleuchtet, den Deputirten sind hölzerne Bänke als Sitzplätze angewiesen. Oberhalb des Präsidenten-’Bankel's’ liest man die inhaltsschweren Worte:
     Geduld, Geduld, wenn's Herz auch bricht,
     Das Quotenzahlen ist Bürgerspflicht.”

 

 

Wochen-Plaudereien. in Augsburger Neueste Nachrichten 8.11.1869
“Mir hat der häßliche Alte gefallen, ich habe mich neben ihm auf einen alten verwitterten Grabhügel gesetzt und mir Todtengräber-Geschichten erzählen lassen, Histörchen, heiter und ernst, traurig und schaurig; das klang so heiser und hohl, wie vor Zeiten bei der alten Muhme in der Spinnstube. Und er erzählte mir, wie einst in sternenheller Nacht der Mond über die Gräber schien und einen muthigen Kavalier, ein lebensfrohes Prinzlein beleuchtete, den sein Durst nach heißen Küssen hieher geführt und der von einem leise und lose dahin schwebenden Gespenst überrascht wurde. So eine Chevauxlegers-Säbel thut oft gute Dienste, meinte der geschwätzige Alte. Wie singt doch Bürger:
  ‘Graut Liebchen auch? ... der Mond scheint hell!
  ‘Hurrah, die Todten huschen schnell!
  ‘Graut Liebchen auch vor Todten?
  ‘Ach nein! ... doch laß die Todten!’"

 

 

Trost der Ultramontanen. in Kladeradatsch 14.3.1869
“Geduld! Geduld! Wenn's Herz auch bricht,
Der Nuntius entgeht uns nicht!
Wird euch auch etwas lang die Zeit,
Vertraut nur fest auf A d e l h e i d!”

 

 

O Mutter, Mutter, hin ist hin! in Fliegende Blätter 50 1869
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Nachrichten für Stadt und Land in Oldenburger Zeitung für Volk und Heimat 20.4.1872
“’Graut Liebchen auch vor Todten?’ ‘Ach nein! . . . doch laß die Todten!’ sagt Bürger in seiner ‘Leonore’. Es ist wahr, es ist immer gut, wenn man die Todten ruhen läßt. Auf dem hiesigen Kirchhofe scheint dies jedoch nicht der Fall zu sein. Hier läßt man die Todten in Ermangelung eines Besseren, das heißt weil der Kirchhof zu klein ist, nur 16 Jahre anstatt der gesetzlichen 25 Jahre ruhen.”
 

 

Großer Sternschnuppenfall. Auf der Pariser Höhe beobachtet seit dem 4. September 1870. in Kladderadatsch 1871
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(Clericale Lügen.) in Bozner Zeitung 17.7.1873
“Jede Unschuld von zwanzig Jahren im ganzen Sarnthale machte sich nun die boshafte Vorstellung, als hätte die Pfarrersköchin, wie ihre Ahnfrau von Paradieseszeiten, in den Apfel gebissen. Als dann die Langvermißte endlich doch wieder kam und das Gerede immer nicht aufhörte, stieg der gerechte Zorn in das milde Herz Seiner Hochwürden, rasch sattelte er sein Dänenroß und rennt dem Landgerichte zu. ‘daß Roß und Reiter schnoben.’

 

 

"So kann's nicht bleiben." in Neues Wiener Tagblatt (Tages-Ausgabe) 24.1.1875
“Baron Scharschmidt bekämpft die Anschauungen des Abgeordneten Wickhoff. Er bedauert es, daß aus der Mitte der Verfassungspartei, sich Klagen gegen das Abgeordnetenhaus und die Regierung erheben, weil beide Faktoren der Krise rath- und thatlos gegenüber ständen. Abgeordneter Wolfrum hält eine lange Rede gegen die Vermehrung der Staatquoten. Der Inhalt seiner Rede ist: ‘Geduld, Geduld, wenn's Herz auch bricht, mit Gott im Himmel had're nicht.’“

 

 

Eine sehr beliebte und häufig verwendete Parodieform ist die Bildergeschichte. Eine davon ist die Schauderöse Abenteuer eines Coupons, oder: Die Schneeverwehung des Unionbank-Directors Minkus in Der Floh 3. Jaener 1875
In fünfzehn Strophen wird die Lenore passend zu einem aktuellen Ereignis parodiert, zu jeder Strophe gibt es ein kleines Bildchen. Hier die erste und letzte Strophe:

“Herr Minkus fuhr ums Morgenroth
Empor aus schweren Träumen.
‘Bist untreu Ghyczny oder futsch?.
Wie lange willst Du säumen?
Was kriegen wir von Ostbahn noch
Zu stopfen dieses große Loch,
Das uns vom Krach geblieben?
Du hast mir nichts geschrieben.’

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        [...]

Doch Minkus ist ein tücht'ger Mann,
Nicht gackert und nicht prahlt er,
Und für den Unionscoupon
Baar sieben Gulden zahlt er.
Die Actionäre tanzen froh
Und singen dann im Chor so:
‘Des Coupons sind wir ledig
Gott sei der Actie g'nädig!’"

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Dat's mien Popp. En Wiehnachtsgeschicht van'n Dorpe in Illustrirte Zeitung 23.12.1876
“Doch in Dorp Buckholt bleew dat eene Hart, wat üm den eenen ‘Vermißten’ truure, ahne Trost un Hapnung.
  ‘Sie ging den Zug wol auf und ab,
  Sie frug nach allen Namen,
  Doch keiner war, der Kunde gab,
  Von allen, die da kamen,’
wie et in Börger sien Leed van Lenore heet.”


Volkswirthschaftlicher Theil [Vom Viktualienmarkt.] in Nürnberger Presse 16.12.1877
“Zudem sind die altgewohnten Pfade, die Ihren Marktreporter zu Eier-, Geflügel- und Gemüsehändlern führten, durch die, Leute gesetzten Alters sehr antiquirt vorkommenden Christmarktsbuden versperrt, ich wandle ungewohnte Wege und es geht mir, komme ich in die zerstreuten Bivouacs der Gemüseweiber, rings um die Sebalder Kirche, wie Bürger's herzgeängstigter Leonore:
     Sie frug' den Zug wohl auf und ab,
     Und frug' nach allen Namen.
wo finde ich meine Groß- und Kleinreutherinnen, meine [...].”

 

 

Leipziger Tageblatt und Anzeiger : Amtsblatt des Königlichen Amts- und Landgerichtes Leipzig und des Rathes und Polizeiamtes der Stadt Leipzig 13.10.1876
"Herrn Wilhelm Liebknecht, Redacteur des Vorwärts, Leipzig.
   Der canis und die Vorwärtsin
   Des langen Haders müde
   Erweichten ihren harten Sinn
   Und machten endlich Friede:
singt Bürger und läßt seine 'verbohrte' Elnore mit ihrem Wilhelm hurre hurre hop hop hop zum Teufel reiten.
Hochmögender Herr des 'gepritschten' Vorwärts und des vielgebissenen Volksstaat, Sie erlauben doch gütigst einem armen, 'hochgradig Verbohrten'*) ein paar simpele Fragen zum Schluß der seltsamstiligen Correspondenz?
  Heißen Sie nicht auch Wilhelm? Haben Sie nicht ein intimes Verhältniß mit der 'zorn'gen Dirne'**), der blutarmen und brennrothen Elnore Commune? Besitzen Sie denn gar keine Lust oder verteufelt keine Schneide selbander mit der tollen Maid im saußenden Galopp — hinter sich diverses Schreibergesindel — dem Bürger'schen Liebespaar nachzujagen?
     Ihr beiß-fehde- und siegmüder
     can. fam. vulgo Pritscher.
*) Vorwärts-Briefkasten Nr. 5.
**) Leipziger Tageblatt, vierte Beilage Nr. 180."

elnore1876

 

 

Dritter Akt. Dritter Auftritt in Aus Göthes lustigen Tagen: Original-Lustspiel in 4 Akten von Elise Henle Stuttgart 1878 

Amalie.
   (nimmt ein Buch vom Tische, darin blätternd)
Das soll er auch, doch will ich sorglich wählen,
Zum Ernste wird ihn dann der Ernst schon zwingen.
Da lest, doch Göthe, hütet Euch vor Schwänken.
   (gibt Thusnelde das aufgeschlagene Buch, das Erste dagegen nehmend)

Göthe.
Wie könnt Ihr, Durchlaucht, anders von mir denken?
Sieh sieh, des Bürgers Leonore.

Alle.
Ah!

Göthe.
   (liest mit Ausdruck, alle hören gespannt zu)
Leonore fuhr um's Morgenroth,
Empor aus düstern Träumen,
Bist untreu, Wilhelm, oder todt,
Wie lange willst Du säumen?
Er war mit König Friedrichs Macht,
Gezogen in die Prager Schlacht,
Und hatte nicht geschrieben,
Ob er getreu geblieben.
   (mit gleichem Ernste lesend, während sich die andern betroffen ansehen)
Der Herzog und die Herzogin
Des langen Haders müde,
Erweichten ihren harten Sinn
Und machten endlich Friede,
Denn jeder sah ganz sonnenklar,
Daß jeder schon gefehlet,
Er, weil er oft nicht höflich war,
Sie, weil sie ihn gequälet.
   (Merk rückt unruhig auf seinem Stuhl, die Andern lachen leise. Göthe liest ruhig weiter)
Und überall, allüberall,
In Tiefurth, Belvedere,
Gibt's Schlittenfahrt und Maskenball
Dem hohen Paar zur Ehre.
Der Wieland kömmt als Oberon
Mit Stock und mit Perrücke,
Und Darmstadt's Apotheker-Sohn
Erscheint als gift'ge Mücke.
      (Merk will aufspringen. Bertuch drückt ihn lachend auf den Stuhl nieder. Göthe liest ruhig weiter)
Er fragt den Göthe Wort für Wort
Nach seinem Thun und Treiben
Und summt und brummt in einem fort,
Wie's halt die Mücken treiben.
Und als er hört die Mähr, o Graus,
Daß Göthe Maler werde,
Da reißt er sich die Flügel aus,
Mit wüthiger Geberde.

Amalie
   (die Thränen trocknend, unter Lachen)
Genug, genug Ihr seht ja, ich ersticke.

Carl August (ebenso).
Ihr habt ihn doch zum Ernst gezwungen, Mutter.

Göthe (liest ruhig weiter).
O Heinrich, Heinrich, bester Freund,
Verloren ist verloren,
Es ist nicht jeder, was er scheint,
Drum laß mich ungeschoren.
    (Schallendes Gelächter. Göthe aufstehend, schlägt Merk mit dem Buch auf die Schulter)”

 


„Orpheus-Blätter“. Handgeschriebenes Periodikum, erschienen 1878 bis 1879 vermutlich in Wien.
Und hurre, hurre, hopp, hopp, hopp, / Gieng's fort im sausenden Galopp.

lenore_juedisch_klein

 


Wo ist der Reichskanzler? (zur Reichstagseröffnung.) in Berliner Wespen 17.1884
“Sie frug den Zug wohl auf und ab  / Und frug nach allen Namen,  
Doch keiner war, der Kundschaft gab, / Von Allen, so da kamen. (Lenore.)”

berliner_wespen_Ausgabe_17_1884

 

 

Auch im Reichstag sind die Bretter und Brettchen Thema in der Norddeutschen allgemeinen Zeitung 21.3.1885
“Der Reichskanzler will gern den Exekutor beseitigen, aber mit diesem Zoll vertheuert er dem armen Mann, der aus diesem Jammerthal scheidet, sogar die sechs Bretter und zwei Brettchen zum Sarge. Der Zoll belastet die Gesammtheit der Steuerzahler zu Gunsten der großen Grundbesitzer; er verhindert, daß dem Volke endlich das Rechtsbewußtsein zurückkehrt, daß die deutsche Eiche ursprünglich deutsches Volkseigenthum und der Wald eigentlich gemeinschaftliches Eigenthum war.”
 

 

Geburtshelferkröte oder der Fessler Alytes obstetricans. in Mittheilungen der Aargauischen Naturforschenden Gesellschaft 1886
“Von den schwanzlosen Lurchen des Terrariums bleibt nun nur noch die Unke übrig. Nicht das wissenschaftliche System, wohl aber die Volkssage, stellt sie als Uebergang zu den geschwänzten Lurchen hin, denn selten wird sie im Volksmunde anders genannt, als in Verbindung mit dem Salamander, und Molch und Unke sind im Volksaberglauben unheimliche und gespenstische Wesen. Der Gefangene im schauerlichen Burgverließ wird von ihnen geplagt, bis er den Hungertod erleidet
   ‘Ihr Lied war zu vergleichen
   Dem Unkenruf in Teichen,’
schreibt Bürger von einem nächtlichen, gespenstischen Leichenzug, und der Unkenteich mit Irrlichtschein spielt in der Volkspoesie und in Gespenstergeschichten eine große Rolle. Auch diese unheimlichen Gesellen befinden sich als rechtmäßige Bürger im Terrarium.”

 

 

Je nach Umständen. in Der wahre Jacob 1886
T o c h t e r (Bürger's Leonore lesend): "Vater, ist es denn wahr, daß die Todten schnell reiten?"
V a t e r (zerstreut): "Ja, liebe Mary, wenn sie Eile haben."

mobil_umstaende_1886

 

 

Kunst und Wissenschaft in Berliner Börsen-Zeitung, Morgen-Ausgabe 7.6.1887
"Um die Portraitähnlichkeit mit dem alten ‘Deutschen Theater’ vollzumachen, fehlt eigentlich nur noch ein Mitglied — Frl. Anna Haverlandt. Die Herzen der großen Verschworenen schlagen sicherlich der ‘Entfernten’ mit wilder Sehnsucht entgegen. Wie heißt es in dem bekannten Bürgerschen Gedicht?
   Herr Barnay fährt um's Morgenroth
   Empor aus schweren Träumen.
   Bist untreu, Anna, oder todt?
   Wie lange willst Du säumen?"

 

 

Classisches aus den Bädern. In Franzensbad. in Der Floh 1887
"Lenore fuhr um's Morgenroth empor aus schweren Träumen."

mobil_floh_1887

 

 

Versammlungen. in Vorwärts : Berliner Volksblatt ; das Abendblatt der Hauptstadt Deutschlands 25.6.1891
“Der sozialdemokratische Wahlverein für den zweiten Wahlkreis [...]. Referent bespricht dann noch die Brandenburger Polizeiverordnung, wonach kein Gastwirth seinen Saal mit rothen Fahnen ausschmücken darf, und empfiehlt der Polizei, die rothe Farbe abzuschaffen, das rothe Blut abzuziehen, dem Regenbogen zu befehlen nur noch 6 Farben zu zeigen, den Damen die Schamröthe zu untersagen, in Bürger's ‘Lenore’ anstatt Lenore fuhr ums Morgenroth empor aus schweren Träumen, zu setzen: Lenore fuhr um die Frühstückszeit u.s.w., u.s.w.”

 

 

Berliner Börsen-Zeitung 22.4.1891
“Der Endvers sprach von der Zeit, da sie nicht mehr spielen und singen werde, da sie die Bretter, welche die Welt bedeuten, mit den sechs Brettern und zwei Brettchen vertauscht habe. Auf ihren Stein, so schloß das Couplet, solle man dann setzen:
   Hier ruht die Stolle,
   In jeder Rolle
   Entflammte sie ganz lichterloh
   Und alle ebenso.
Das war nicht zu viel gesagt.”

 

 

Der reuige Wilhelm! in Hamburger Anzeiger 15. Januar 1892
Der Wilhelm fuhr um's Morgenroth,
  Empor aus seinen Kissen!
  Er hat im Traum vor Angst geschwitzt
  Und vor Gewissensbissen!
  Erschienen war ihm die Marie
  Und rief: "Du läßt mich sitzen?
  Ich stürze in die Alster mich!
  Mir kann nichts weiter nützen!" - -
  "Die kriegt das fertig", brummte er,
  "Ich mach mich auf die Beine
  Und kaufe reuig Hochzeits-Staat
  In bill'ger "Goldner Neune!" -"

hamburger anzeiger 15 january 1892

 

 

Im neuen Kurs in Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 9.1892
im_neuen_kurs_1892

      „Rapp, Rapp, mich dünkt, der Hahn schon ruft, 
      Bald wird der Sand verrinnen, —
      Rapp, Rapp! Ich witt're Morgenluft,
      Rapp, tummle dich von hinnen.

      Rasch auf ein eisern Gitterthor
      Ging's mit verhängtem Zügel.
      Mit schwanker Gert' ein Schlag davor
      Zersprengte Schloß und Riegel.

      Ha sieh, ha sieh! im Augenblick,
      Huhu, ein gräßlich Wunder!
      Des Reiters Koller Stück für Stück
      Fiel ab wie mürber Zunder!

                (Bürger.)”

 

 

Lothar Meggendorfers humoristische Blätter 15. 1893 zeigen eine ganz andere Lenore: Auch eine Leonore
“Leonore fuhr um’s Morgenrot . . . .”
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Humor im Redaktionsbriefkasten bringt der Tiroler Volksbote 19 July 1894
   “Frage: ‘In Bürgers ‘Leonore’ steht: ‘Die Todten reiten schnell!’
      Können denn die Todten reiten?’
   Antwort: ‘Weshalb nicht? Wenn sie es vorher gelernt haben.’"

 

 

Theater, Kunst und Literatur. in Neues Wiener Tagblatt (Tages-Ausgabe) 15.8.1897
“Ein kühnes Sujet und ein altväterischer Dialog. Der alte Excellenz-Graf hat eben Abschied von der Enkelin genommen, welche die Hochzeitsreise antrat; ‘Ein Fremder’, wie er auf dem Zettel genannt wird, besucht ihn zu abendlicher Stunde, in Wirklichkeit Jemand, den er schon flüchtig kennen lernte, der ihm immer sympathisch war und der nun in der trüben Abend- und Abschiedsstunde seine weichmüthigen Erinnerungen anhört und begleitet. Dieser Fremde ist — der Tod, der Tod im Salonanzug, aber von Herrn W e i s s e mit einem Porträt dargestellt, das gruselig wirkte. Man hat es, wie ersichtlich, mit einer ziemlich bizarren Allegorie zu thun. ‘Graut Liebchen auch vor Todten? Ach nein, doch lass’ die Todten !’ Dieser letzteren Ansicht war ein großer Theil des Publikums, das, als der mit schwarzer Cravate und Handschuhen modern ausgestattete Tod dem Alten liebevoll die Augen zugedrückt, untereinander ziemlich uneins war: zischend und applaudirend.”

 

 

Nomen est Omen. in Lustige Blätter 189
"Sie brechen viel zu früh auf, Fräulein Lenore." - ""Wieso"" - "Nun, Sie dürften doch erst ums Morgenroth fahren."

mobil_lust_bl_1899

 

 

Der Entwurf eines Gesetzes, betreffend Aenderungen und Ergänzungen des Strafgesetzbuches (lex Heinze) in Norddeutsche allgemeine Zeitung 7.02.1899
"§ 184 a. Mit Gefängniß bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu sechshundert Mark wird bestraft, wer Schriften, Abbildungen oder Darstellungen, welche, ohne unzüchtig zu sein, das Schamgefühl gröblich verletzen, zu geschäftlichen Zwecken an öffentlichen Straßen, Plätzen oder anderen Orten, die dem öffentlichen Verkehr dienen, in Aergerniß erregender Weise ausstellt oder anschlägt."
Eine passende Antwort darauf liefert F. C.:
Ein Vademecum für die Juristen der Zukunft in Bürger-Zeitung für Düsseldorf und Umgebung 17.4.1900
"Da ist z. B. Gottfried August Bürger, der eine Ballade — 'Leonore' — verfaßte, die ein bezeichnendes Licht auf seine ganze Schreiberei wirft. Man lese die folgenden Strophen:
   'Wir satteln nur um Mitternacht.
   Weit ritt ich her von Böhmen.
   Ich habe spät mich aufgemacht,
   Und will dich mit mir nehmen.'
   - 'Ach Wilhelm erst herein geschwind!
   Den Hagedorn durchsaust der Wind;
   Herein, in meinen Armen,
   Herzliebster, zu erwärmen!' —
Diese für ein Mädchen durchaus unziemliche Einladung beantwortet der nächtlich hereingeschneite Bräutigam aber mit einer noch stärkeren Zumutung:
   'Laß sausen durch den Hagedorn,
   Laß sausen, Kind, laß sausen!
   Der Rappe scharrt; es klirrt der Sporn.
   Ich darf allhier nicht Hausen.
   Komm, schürze, spring' und schwinge dich
   Auf meinen Rappen hinter mich!
   Muß heut noch hundert Meilen
   Mit dir ins Brautbett eilen!'
Natürlich erwartet man, daß Leonore als sittsame Jungfrau eine solche Zumutung ablehnt. Aber Gott bewahre! Nach einigen sehr neugierigen und durchaus unschicklichen Fragen thut Leonore, was ihr 'Herzliebster' verlangt und reitet mit ihm allein bei Nacht und Nebel davon! Man vergegenwärtige sich nun, welch einem verderblichen Einfluß so etwas auf unsere Jugend haben muß. Wahrlich, unsere Poesie ist ein Augiasstall geworden, der eines Herkules zum Reinkehren bedarf, ein Amt, das in diesem Fall ja auch glücklicherweise von dem Herrn Roeren übernommen wird."

 

 

Im Sensationsnachrichtenbureau der Lustigen Blätter 15.1900 findet sich
     “A. : Ich denke, alle Europäer in China sind ermordet;
        und jetzt stehen sie schon wieder vor Peking?
      B. : Nun ja: die Todten reiten schnell.”

 

 

Der gerupfte Pfau oder Suum cuique. in Lustige Blätter schönstes buntes Witzblatt Deutschlands — 15.1900
“Und jedes Heer mit Sing und Sang,
Mit Kling und Klang und Zsching und Tschang,
Geschmückt mit ‘Pfauenfedern’ - - - -
         (Nach Bürgers ‘Leonore’)”
gerupfter_pfau_gr_1900

 

 

Der grausige Ritt in Lustige Blätter: schönstes buntes Witzblatt Deutschlands — 17.1902
grausige_ritt_1902
 “Der grausige Ritt.
Wie flogen rechts, wie flogen links
Der Paragraphen Trümmer!
Wie heulte durch die Lüfte rings
Ein Zetern und Gewimmer!
‘Graut Liebchen auch? .... der Mond scheint hell,
Hurrah, das Plenum reitet schnell!
Nur immer stramm sich sputen,
Hier geht es nach Minuten!’

Sieh da! sieh da! am Anger dort,
Ganz elend und gebrochen,
Tanzt ein Gesindet immerfort,
Tanzt um den letzten Knochen.
‘Sasa, Gesindel, hier! komm hier!
Gesindel, komm und folge mir,
Tanz' uns den Hochzeitsreigen,
Wenn Liebchen wird mein eigen!’

Und das Gesindel, husch, husch, husch!
Kommt hinten nachgeprasselt,
Wie Wirbelwind und Haselbusch
Durch dürre Blätter rasselt.
Und weiter, weiter, hop, hop, hop!
Geht's fort in sausendem Galopp,
Dass die Debatte splittert,
Fünf Mark und Bein erzittert.

Rapp! Rapp! Ich witt're Morgenluft,
Es ist schon ziemlich späte,
Rapp! Rapp! Mich dünkt, der Hahn schon ruft,
Der Diederich, der krähte! —
Vollbracht, vollbracht ist unser Lauf,
Die dritte Lesung thut sich auf,
Das Plenum reitet schnelle,
Wir sind, wir sind zur Stelle!

Nun tanzen wohl bei Mondenglanz
Rund und herum im Kreise
Die Geister einen Kettentanz
Und heulen diese Weise:
Geduld, Geduld, wenn's Herz auch bricht,
Um fünfzig Pfennig hadre nicht,
Des Reichstags bist du ledig,
Gott sei dem Volke gnädig!”

Ein Echo auf die "Korrespondenz aus St. Gallen". in Der Friede. 20.2.1903
“Hoffen wir, dass dieser unzeitige Frost der politisch-fanatischen Agitationen noch nicht a l l e zarten Keime ehrlicher, friedfertigender Gesinnung und freud
iger Begeisterung für die gute Sache ereilt und ertötet habe. Allein ‘Geduld, Geduld, wenn's Herz auch bricht, mit Gott im Himmel hadre nicht’ - und fordere auch nicht in einem derartigen Momente der Déroute, der Mutlosigkeit und Enttäuschung, die ‘25%, lt. Statuten’".

 

 

Die aufkommende Motorisierung des Strassenverkehrs erlaubte eine mannigfaltige Verwendung der Lenore. Hier ein gelungenes Beispiel:
Automobilistensang in Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 8.1903
“Von einem einfachen B ü r g e r
Zur ‘Zuverlässigkeitsfahrt’ des Berliner Automobilvereins.

Wir fahren los ums Morgenroth
Nach kurzen schweren Träumen,
Sind Sieger Abends oder todt,
Da hilft kein langes Säumen.
Uns gilt kein Todtschlag und kein Mord,
Uns gilt als höchstes der Rekord.
Wir müssen 1000 Meilen
Noch heut' zum Ziele eilen.

Wie fliegen - ha - in Stücken rings
Die Rinder und die Schweine!
wie fliegen rechts, wie fliegen links
Die menschlichen Gebeine!
Die Huppe tutet: Hopp, hopp, hopp.
Fort geht's in sausendem Galopp,
Daß die Ventile fauchen
Und die pneumatics rauchen.

Und überall, allüberall
Auf Wegen und auf Stegen,
Eilt Alt und Jung beim wüsten Schall
Der Huppe uns entgegen.
Und wenn wir dann vorüber sind,
Liegt Vater, Mutter, Vieh und Rind
Mit leidender Geberde
In Theilen auf der Erde.
           Frido”

 

 

Besonders knapp war die Werbung für einen Tee in Die Zeit 29.11.1906:

“’Leonore fuhr ums Morgenrot empor aus schweren Träumen’— weil sie ihren Indra-Tea nicht getrunken.”

Hier ein Werbeplakat von 1900:

indratea

 

 

Unpolitische Zeitläufe. in Sächsische Volkszeitung 4.8.1907
“Geduld, Geduld — wenn der Schirm auch bricht! Mensch, ärgere dich nicht, denn der Aerger ist nutzlos. Laß dir die Stimmung nicht verderben und nicht von den Nerven unterkriegen! Galgenhumor ist auch ein Humor. Auch von dem ödesten Landregen laß dir die Hoffnung nicht wegspülen: es kann ja leicht besser werden, namentlich dann, wenn es so schlecht als möglich ist. Sei nicht übelnehmerisch, wenn der eine oder andere Mitbürger bei diesem häßlichen Zeitlaufe ärgerlich wird und seine Mißstimmung dich fühlen läßt.”

 

 

Die Odyssee eines römischen Wohnungssuchers. in Kölnische Zeitung, Erste Beilage zur Sonntags-Ausgabe 5.5.1907
"Wie der ewige Jude streifte ich Tag für Tag ruhelos umher, ich ging die Stadt wohl auf und ab und frug nach allen Namen, wie weiland Lenore, als sie ihren Wilhelm suchte, und gleich ihr fuhr ich ums Morgenrot empor aus schweren Träumen, in denen ich einmal nach der Vorschrift des römischen Volksliedes den hartherzigen Hausbesitzer mit dem Knüppel bearbeitet hatte und nedafür wegen Tierquälerei bestraft worden war [...]."

 

 

Das sächsische Wahlrechtselend. in Berliner Tageblatt und Handels-Zeitung, Abend-Ausgabe 8.10.1908
“Wo die ‘Diplomatie’ des Grafen v. H o h e n t h a l eigentlich enden wird, ob überhaupt eine Wahl
reform zustande kommt, läßt sich anch heute noch nicht erkennen. Alle Wege zu ihr sind mit dickem Gestrüpp überwuchert. Man arbeitet zwar mit ‘Energie’, um es hinwegzuräumen, wie immer wieder in der Wahlrechtsdeputation versichert wird, aber es geht unseren Wahlrechtspolitikern augenscheinlich wie der Fliege im Spinnennetz. Je mehr sie sich abmüht, aus der beengenden Verstrickung loszukommen, um so hilfloser verwickelt sie sich im Wirrnis der Fäden. Das in stummer Resignation zuschauende sächsische Volk kann sich aber trösten mit der Lebensweisheit August B ü r g e r s: ‘Geduld, Geduld — wenn's Herz anch bricht’!”

 

Werbung in Aachener Anzeiger, 4.2.1908
Margarete stieg um's Morgenrot / Vergnügt aus ihrem Bette:
„Nun hat es weiter keine Not, / Wenn ich sie nur schon hätte!"

Sie hatte grad im Traum gesehn, / Wie „Kentners Wichse“ schnell und schön

Den Stiefeln Glanz verleihet, / Das ist's, was Grete freuet.

Gentners Wichse in roten Dosen ist überall zu haben.
     Fabrikant: Carl Gentner, Göppingen.
aachen_1908

 

 

Sportleichen. in Teplitz-Schönauer Anzeiger 31.7.1909
“Eine seltsame Art ästhetischer Bildung, die wir da treiben. Aber auch ein Pendant der wundersamen Auto-Rennen, an denen sich die große Welt erfreut. ‘Und näher zog ein Leichenzug, der Sarg und Totenbahre trug. Das Lied war zu vergleichen dem Unkenruf in Teichen.’"

 

 

Anzeige des Ferry-Theaters Ottensen in Hamburger Echo, 26.2.1911
Ferry_Theater_Hamburger Echo_26_2_1911


 

Korrespondenz der Redaktion in der Wiener Hausfrauen-Zeitung 1912 widmet sich der Motorisierung:
“Stephanie in St. .. ch. Natürlich erregt es Interesse, daß eine Wienerin um Fahrlizenz als Chauffeurin einkam. Das Ereignis bildet einen reichen Stoff für den Humor. Unter andern. An Stelle der Sorge um V o l a n t s für Toiletten tritt die für ‘V o l a n t s’ am Auto. Viele Damen werden jetzt A u t o - d i d a k t i s c h gebildet sein. In den frühesten Morgenstunden wird man Autos finden, denn Frauen pflegen früher aufzustehen als Männer, so zum Beispiel ‘L e o n o r e f u h r u m s M o r g e n r o t’".
 

 

Jagd auf die rote Farbe. in Vorwärts : Berliner Volksblatt ; das Abendblatt der Hauptstadt Deutschlands 3.8.1912
“Weshalb hat's dem Reviervorstand die rote Farbe so angetan? Das Polizeipräsidium hat auf die Beschwerde noch nicht geantwortet. Sinnt es etwas auf eine Polizeiverordnung zur Besänftigung von rotem Farbenkoller? Wir bringen ihm eine ältere Verordnung in Erinnerung, die gründlich allen Uebels Wurzel, dem Rot, zu Leine ging. Sie lautet:
Polizei-Verordnung.
Da das Licht der Aufklärung die Fledermäuse und Eulen der Reaktion schmerzhaft berührt,so wird hiermit verordnet: 1. Alle öffentlichen Gebäude sind gräulich zu beschmutzen.
[...]
4. Aurora wird verboten, ums Morgenrot aus dunklen Träumen empor zu fahren oder zu gehen: sie hat liegen zu bleiben.
[...]
9. Jedes Aufsteigen von Schamröte, insbesondere beim Lesen behördlicher Anordnungen, wird hiermit verboten.
[...]
Wer hiergegen handelt oder in anderer Weise die rote Farbe verbreiten sollte, wird konfisziert werden und so lange sitzen, bis er schwarz oder eine Behörde schamrot werden wird.”

 

 

Die moderne Lenore. in Wiener Caricaturen, 31. August 1913

Lenore fuhr ums Abendrot
Empor vom Ruhekissen:
— Kommt Wilhelm nicht zum Abendbrot?
Ich muß das schleunigst wissen!
He, Bertchen, fix, geh’ auf die Spur,
Der Zeiger weist auf sieben Uhr,
Im „Stern“ und auch im „Bären“
Pflegt Wilhelm einzukehren!—

Und hurre, hurre, hossassa,
An’s Fenster eilt Lenore.
Ei, ei, wer steht und wartet da
Am Brunnen vor dem Tore?
Ein junger, hübscher, fescher Mann,
Der schmachtet sie mit Blicken an
Und flötet Sehnsuchtstöne:
— Erhöre mich, du Schöne!—

— Nun, Bertchen? — Ach, der gnäd’ge Herr
Wird heut’ sobald nicht kommen;
Es hat vom Lande irgend wer
Ihn mit Beschlag genommen! —
— So, so, hm, hm, na dann ist’s schön.
Kannst du zu deinem Schatz heut’ geh’n.
Darfst länger auch verweilen
Und brauchst dich nicht beeilen! —

Und hurre, hurre, hossassa—
An’s Fenster eilt Lenore;
Der Jüngling steht noch immer da
Am Brunnen vor dem Tore.
Ein Tüchlein winkt, ein Handkuß fliegt.
Die heiße, tiefe Sehnsucht siegt —
Lenores Kemenaten
Könnt’ heute ’was verraten! —

Ihr Männer nehmt euch dies zur Lehr’,
Es gibt noch mehr Lenoren
Und groß ist auch die Anzahl der
Jünglinge vor den Toren!
Ihr meint: Wir sind in sich’rer Hut,
Denn unser Weib ist brav und gut? -
Das ist ein schwaches Tröstchen —
Na, nichts für ungut! Pröstchen!

 

 

Die Alpenfahrt in Neues Wiener Tagblatt 15.6.1914
"Der verdammte Regen hatte mir die ganze schöne Einleitung zu meinem Berichte verdorben. Ich hatte zum Beispiel von Lenore sprechen wollen, die ums Morgenrot fuhr, und ich hätte dabei die witzige Frage aufwerfen können, was es gekostet hätte, wenn Lenore um drei Uhr früh mit einem Autotaxi nach Taxe 2 ums Morgenrot gefahren wäre. Da es aber gar kein Morgenrot gab, war die ganze Lenore, die ja ohnehin nicht mehr sehr jung ist. hinfällig geworden. Ich mache auf den geistreichen Doppelsinn des Wortes hinfällig besonders aufmerksam."

 

 

Eine wesentliche Rolle spielte Bürgers Lenore in Frankreich. La Lanterne, 9 février 1914 bringt LA SEMAINE POLITIQUE
La_Lanterne_9_février_1914

 

 

Eine weitere Karikatur findet man in Le Règiment, 3 février 1916 les morts vont vite (Die Todten reiten schnell)
leregiment_teil

 

 

Der Kampf um die Kartoffeln. in Floridsdorfer Zeitung 31.8.1917
“Das alles kann dem guten Wiener passieren und er erträgt es noch mit hingebender Geduld, wenn ihm wenigstens die Erdäpfel bleiben.
  Darum schließe ich mit den Worten — frei nach Bürgers ‘Leonore’ —:
Geduld, Geduld, wenn's Herz auch bricht,
Mit den Bauern hadre nicht!
Des Rucksacks wirst du ledig...
Gott sei dem Magen gnädig!
       Karl Broich.”

 

 

Köchin Karline am Wahltage in Kladderadatsch — 77.1924 Seite: 801

Karline fuhr ums Morgenrot
Empor aus ihren Kissen:
„Zum Donnerhagelschwerenot
Heut' werd' ich wählen müssen!
Um achte rückt die Lotte an
Vom Töpfermeister Pannemann,
Um gleich mich abzuholen
Zur Wahl! Drum auf die Sohlen!"

Sie hopst aus ihrem Federbett
Mit fröhlichem Gerase:
Schlüpft eins, zwei, drei in das Korsett
Und putzt sich kaum die Nase!
Da klopft's schon von dem Fenster her:
„Karline, spul' dich, faules Gör!
Hör', wie die Uhr schon bimmelt!
Das Wahllokal, es wimmelt!"

Karline eilt zur Küchentür
Mit Sprüngen hin, niit fixen:
Da tritt die — Gnädige herfür:
„Erst bitte — Stiefel wichsen!
Und dann wird Kaffee schnell gekocht
Und Staub gewischt — und zwar sofocht!"
Ruft sie voll hartem Eifer
Mit ihrem Nasenkneifer.

Karline sträubt sich wie ein Hahn
Und heult in wildem Grimme:
„Uff Ihre Stiebel kommt's nich an,
Doch heut' uff jede Stimme!
Ob dreckig oder uffgewischt -
Det schadet heute alles nischt!
Ick geh — mach'n Sie die Betten! -
Das Vaterland zu retten!"

Da zog sie triumphierend los
Nach diesem stolzen Worte.
Die Gnädige, mit ihrem Bos,
Stand an der Wohnungspforte;
Dann schrieb sie ihr ins Dienstbuch 'rein:
„Die Karoline Hoppelbein
War treu und brav und häuslich,
Nur an dem Wahltag - scheußlich!"
    m. br
 

 

Geduld, Geduld, wenn's Herz auch bricht. in Lachen links: das republikanische Witzblatt, Sondernummer Verfassungstag 7.8.1925
“Jemand wollte heiraten und wandte sich an das Standesamt seiner Geburtsstadt X. wegen Anfertigung einer Geburtsurkunde. Er erhielt folgenden Bescheid: ‘Die dortseits beantragte Geburtsurkunde kann diesseits nicht ausgestellt werden, dieweil die betreffenden Formulare aufgebraucht sind. Ein Neudruck derselben kann erst im nächsten Etatsjahre erfolgen, dieweil die dafür etatisierten Mittel restlos verbraucht sind.’   R.”

 

 

Radio-Rummel in Pester Lloyd 18.1.1925
"Was soll man ferner von den jungen Damen sagen, die im Konzert erst mit der Toilette beginnen. Da fährt vor allem die zarte Hand in die Schminkdose. 'Leonore fuhr ums Morgenrot' - und das Abendrot taucht alsbald auf den Wangen der Schönen auf."

 

 

Erna Paul Allen: Der illustrierte Büchmann. In: Revue des Monats 1927/28
Lenore fuhr ums “Morgenrot” / (Gottfried August Bürger)
Erna_Paul_Allen_Der_illustrierte_Buechmann_Revue_des_Monats_1927_28


Einer der vielen Parodien im Kladderadatsch, hier von 1928, ist die
Moderne Heldenballade
— nach G. A. Bürgers ‘Lenore’ —

(In einer Berliner Zeitung erläutert eine Baronin D. das heutige Frauenideal! ‘Wir träumen nicht mehr, wir genießen; unser Held ist der Sportsmann, der Rekorde bricht, selbst der Hochstapler, der sein Fach versteht, usw.’)

Die Dame fuhr im Seidenkleid
Empor aus schweren Träumen:
Braucht Harry denn so lange Zeit
Die Safes auszuräumen?
Denn so verdient er sich sein Geld,
Mein Abgott, mein moderner Held.
Wie lieb' ich seine Späße
Mit Sauerstoffgebläse.

Mein Vater ist Geheimer Rat,
Von Stande und von Namen.
Ich pfeife d'rauf, dem Mann der Tat
Gehört das Herz der Damen.
Ich diene meinem Rinaldin
Zur Liebe und als Hehlerin,
In meinen seidnen Hosen
Sucht niemand die Pretiosen. —

Da außen, horch! Geht's trapp, trapp, trapp,
Als wie von Stiefelzwecken,
Das Türschloß knackt und schnapp und schwapp,
Unmöglich sich verstecken.
Schon schreit der Schutzmann: ‘Hände hoch!’
Es nützte nichts, wie sie auch log.
Gewisse Ideale
Verwickeln in Skandale.

In Moabit warf sie sich noch
Dem Staatsanwalt zu Füßen:
‘Mein Harry wartet. Laßt mich doch
Nicht gar zu lange büßen.’ —
‘Geduld, Geduld, wenn's Herz auch bricht,
Der Schwerverbrecher wartet nicht,
Er hat Sie gar nicht nötig,
Im Zuchthaus lebt man ledig!’

                     stoffel.”

 

 

Bei einem so bekanntem Werk wie der Lenore konnte es nicht ausbleiben, dass sich die Werbung dessen bediente. Bekleidungshäuser, ein Gasherd-Produzent, der Hersteller eines Bügeleisens, ein Schuhcreme-Hersteller sind Beispiele. Besonders Originell ist die Werbung für Hühneraugenpflaster, nicht nur im Nebelspalter 11.5.1928
Leonore fuhr ums Morgenrot / in ihre Sonntagskleider.
Die Hühneraugen waren weg, / Drum sang sie auch ganz heiter:
"Wo sind sie denn geblieben? / "Lebewohl" hat sie vertrieben."
lenore_huehnerauge_nebelspalter_1928

 

Aus Anlass 10 Jahre katholische Dienstmädchenorganisation Klagenfurt schreibt die Kärntner Zeitung 3.12.1929
“Kein Mensch hat ein Recht stolz zu sein, denn wir sind alle in der Erbsünde geboren, deren Folgen uns niederdrücken, so daß wir alle gar sehr der Barmher
zigkeit Gottes bedürfen. Und unsere letzte Wohnstätte, ob arm oder reich, werden sechs Bretter und zwei Brettchen sein. Mit dem Stolz muß aber auch der Neid hinaus, denn gar oft verbirgt sich unter der äußeren Pracht inneres Elend, das wissen gerade die Dienstmädchen nur zu gut.”
 

 

Hans Seiffert hat die Zeichen der Zeit in Jugend: Münchner Illustrierte 35. 1930 zeitig erkannt:

Umsteigen ins Dritte Reich
Herr Mahraun fuhr ums Morgenrot
empor aus düstern Träumen.
Das Staatsparteikind ist nun tot.
Ich darf nicht länger säumen.

Ich hab aufs falsche Pferd gesetzt,
das Linksgalopp gelaufen.
Doch Gott war stets und ist auch jetzt
nur mit dem stärksten Haufen.

Drum will ich sehn, daß ich den Zug
nach rechts jetzt noch erwische.
Will's Gott, komm ich noch früh genug
zum Hitler-Gabentische.

Vielleicht verzeiht der Adolf mir,
daß ich mal links gesündigt.
Hier stehe ich. Gott helfe mir.
Ich habe prompt gekündigt.”

 

 

Oskar Nerlinger: Leonore fuhr ums Morgenrot 1935
Leonore_fuhr_ums_Morgenrot_ Oskar_Nerlinger_1935

 

Kurt Walde: Die Vögel des Alpengebietes in Die Tierwelt der Alpen 1936
“Die Zwergohreule ist in den Alpen ein nicht häufiger Zugvogel, in den Südalpen vielfach auch Standvogel, [...]. Sein kennzeichnender Ruf ertönt oft schon im Spätwinter: ein pfeifender, stets gleich hoher Ton, der oft stundenlang ohne jede Unterbrechung vorgebracht wird. Er ist fast zu vergleichen mit dem Unkenruf in Teichen, nur etwas höher.”

 


Lenore hat es satt. von Winfried Freund. in Rübbelken, Nörgeleien eine westfälischen Querulanten. 1985 S.55

Lenore fuhr nach Liebe toll
Empor aus schwülen Träumen.
»Bist untreu Wilhelm? Oder voll?
Tust deine Pflicht versäumen.«
Er war mit seinem Säufertrupp
Gezogen in den Kegclclub
Und hat nicht ferngesprochen,
Wann er käm' heimgekrochen.

Sie haderte mit ihrem Los,
Vor allem mit der Ehe.
»Der Mann nimmt seine Frau doch bloß,
Damit's ihm wohlergehe.
Die Frau an sich ist ihm egal,
Ihr Liebeswunsch ihm eine Qual.
Soll sie zu Hause bleiben,
Er wird es draußen treiben.«

Doch drinnen horch! Klingklingeling!
Vom Telefon herüber.
Lenore aus dem Bette flink
Schwang sich und hofft' schon wieder.
Doch Wilhelm war es nicht, der Schrat,
Die Freundin war am Apparat.
Sie hat den Mann gefeuert,
Hält Ehe für bescheuert.

»Laß sausen diesen miesen Typ,
Laß sausen, Kind, laß sausen!
Ist dir dein eignes Leben lieb,
Laß uns zusammen hausen.
Sieh hin, sieh her: Das Leben lacht!
Flott mit den Paschas Schluß gemacht!
Wir woll'n sie übertrumpfen.
Laß sie getrost versumpfen.«

Lenore wurde es so leicht.
Es leuchteten die Sterne.
Bald hat das Auto sie erreicht
Und fuhr ab in die Ferne.
Sie fuhr auf Nimmerwiedersehn.
Ihr Leben war auf einmal schön.
Des Mannes war sie ledig,
Glück lächelte ihr gnädig.

 

 


Das Lied vom braven Mann

Sehr attraktiv für die Parodisten war ausser der Lenore auch Das Lied vom braven Mann. Deshalb einige Beispiele.

 

Das Lied vom braven Manne / Das Lied vom nichtsnutzigen Manne. in Kikeriki 12. September 1867
Kikeriki 12 September 1867_klein
Schlußfolgerung.
Daraus folgt nun eine unserer Zeit charakterisierende Moral. Gelingt es dir nämlich, irgendwo einen braven Mann aufzustöbern, so weiß kein Mensch, was er mit ihm anfangen soll. Findest du aber einen Spitzbuben, so kriegst du einen Preis von 300 Gulden.”


Das Lied vom braven Mann. in Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 16.1899
“(Professor Wagner wendet sich in der ‘Woche’ heftig gegen die Steuerscheu des deutschen Volkes.)
Herr Wagner kennt nur ein Vergnügen:
Wenn er so recht in vollen Zügen
An all den vielen Wochentagen
Sein Geld zum Steueramt darf tragen,
Und süsser als der schönste Psalter
Klingt ihm sein Geld — am Steuerschalter!
 *   *    *
Einst schreibt der Staat auf seinen Stein:
‘Er war ein Mann — so soll er sein!’“
 

 

Das Lied vom braven Mann. in Meggendorfer-Blätter — 54.1903
“Hoch klingt das Lied vom braven Mann,
Der waschen und auch bügeln kann,
Der mit dem Einkaufkorbe geht,
Das Kochen aus ‘ff’ versteht,
Der liebevoll die Kinder pflegt,
Den Papagei, den Pudel hegt,
Auf Reinlichkeit und Ordnung sieht,
Das Gasthaus, das Kaffeehaus flieht,
Der in den Ruhestunden flickt,
Die Strümpfe stopft und neue strickt,
Der mit Verehrung unentwegt
Die Gattin auf den Händen trägt
Und selbstverständlich nie vergißt,
Daß ‘Sie’ der H e r r im Hause ist!
wenn so die Hausfrau singen kann,
Hat sie gewiß den bravsten Mann.
    Mennacher.”

 

 

Das Lied vom braven Mann. in Der Floh 7.7.1907
“Hoch klingt das Lied vom braven Mann,
Wie Orgelton und Glockenklang:
Wer Tote so besudeln kann
Den lohnt nicht Gold, den lohnt der Strang.

Und als der Löwe, S c h e l l genannt,
Das Zeitliche gesegnet hatt',
Da kam der C o m m e r hergerannt
Und tat wie jener Esel tat:

Versetzte mit den Hufen ihm
So manchen Tritt und Stoß perfid,
Wiewohl er mit dem Leun intim
Gewesen sehr, eh' er verschied.

Und kriegte noch vom Vatikan
'nen päpstlichen Belobungsbrief ...
Hoch klingt das Lied vom braven Mann,
Dem Mann, der so gesunken t i e f !”

 

 

(Hoch klingt das Lied von der braven Frau!) in Vorarlberger Volksfreund 18.6.1907
Jeder Tag bringt neue Beweise gegen das dumme Märchen von der Minderwertigkeit der Frau. Ein Münchner Künstler, der in der Umgebung unserer Stadt Landschaftsstudien macht, fand jüngst in Watzenegg ein Gärtchen, das ihm zur Betätigung seiner Kunst besonders geeignet schien. Er sprach bei der Besitzerin vor und die biedere Bäuerin erlaubte ihm von Herzen gerne, daß er darin seine Staffelei aufschlug. Der Künstler brachte mehrere Stunden auf dem freundlichen Plätzchen zu und als seine Arbeit beendigt war, wollte er nicht scheiden, ohne den Kindern der freundlichen Frau ein klingendes Andenken zu hinterlassen. Doch die wackere Frau kam ihm mit einem Angebinde zuvor, einem Blatt Papier, auf dem in treuherzigen Zügen als Abschiedsgruß zu lesen stand: ‘Für Malen im Garten 20 Kronen...’ Der Künstler war leider nobel genug, die unverschämte ‘Rechnung’ des Weibes zu bezahlen.”

 

 

Das Lied vom braven Mann. in Kladderadatsch — 67.1914
“w.i. In Speyer rettete ein Soldat unter eigner Lebensgefahr ein Kind vom Ertrinken. Als dem Retter eine Belobigung erteilt werden sollte, ergaben die Ermittelungen, daß er ohne Urlaub in Speyer weilte. Er wurde dafür drei Tage in Mittelarrest genommen.
Der Soldat ist, um das Kind zu retten, nicht nur ins Wasser gesprungen, sondern er hat sich auch t ü c h t i g  h i n e i n g e l e g t. Die Strafe ist viel zu milde ausgefallen. Zugestandenermaßen brachte er bei dem Rettungswerke sein Leben in Gefahr, er hätte also mindestens wegen des V e r s u c h s, s i c h  s e i n e r  D i e n s t p f l i c h t  z u  e n t z i e h e n zur Verantwortung gezogen werden müssen.”

 

 

Das Lied vom Schutzmann von Paul Warnke in Am Born der Borniertheit 1919
“Vom Schutzmann klingt's, vom braven Mann,
Wie Orgelton und Glockenklang.
Wer so dem Dalles helfen kann,
Dem lohnt nicht Gold, dem lohnt Gesang!
Gottlob, daß ich singen und sagen kann,
Zu loben und preisen den braven Mann!

Von Aschersleben kam ein Mann
Und sumpfte in Berlin herum.
Wie einer nur so sumpfen kann!
Er sumpfte sich fast lahm und krumm,
Er schlug sich voll den sündigen Leib,
Und brachte all sein Geld ans Weib.

Da stand er nun so ganz allein,
Laut brauste Bahn und Autobus,
Er aber nannte nichts mehr sein,
Wovon der Mensch doch leben muß:
"Barmherziger Himmel, erbarme dich!
Verloren, verloren, Wer rettet mich?"

Sieh! Schlecht und recht und blank und blau
Stand dort ein Schutzmann an der Eck'.
Da lächelte der Ärmste schlau,
Und fort war Sorg' und fort war Schreck:
‘Nun pumpe du mir, edler Mann,
Daß ich nach Hause reisen kann!’

Und sieh und sieh, der Schutzmann zog
Den Beutel ohne viel Geschrei,
Und reichte ihm, das preis' ich hoch;
So wahr ich leb', der Märker zwei.
Heil mir, daß ich singen und sagen kann,
Zu loben und preisen den braven Mann.

Und als dem Ärmsten dies gelang,
Da ging davon der gute Mann
Und pumpte ohne Sang und Klang
Noch zwanzig andre Schutzleut' an,
Und fuhr nach so vollbrachter Tat
Gen Aschersleben in die Stadt.

Vom Schutzmann klingt's, vom braven Mann,
Wie Orgelton und Glockenklang;
Wer so dem Dalles helfen kann,
Dem lohnt nicht Gold, dem lohnt Gesang.
Gottlob, daß ich singen und sagen kann
Zu loben und zu preisen den braven Mann!”
 

 

Ping-Pong in Meggendorfer-Blätter 8.6.1927
“Ein Engländer hat eine Vorrichtung zum Färben von Wimpern erfunden. Man trägt sie in dieser Saison flaschengrün, rosa, lila und stahlblau.
Hoch klingt das Lid vom braven Mann.”

 


Lustige Studienerinnerungen in Linzer Volksblatt, 5.2.1949
“Ein findiger Sekundaner entdeckte zum ‘Lied vom braven Mann’ eine neue Lesart. Er deklamierte begeistert:
 ‘Es dröhnt' und dröhnte dumpf heran,
 Laut heulten Sturm und Wog' ums Haus.
 Der Zöllner sprang zum Dach hinaus.’"

 

 

 

 

Die Entführung oder Ritter Karl von Eichenhorst und Fräulein Gertrude von Hochburg

 

Vielfältig konnte der Beginn von Bürgers Die Entführung parodistisch verwendet werden:
          “Knapp sattle mit mein Dänenroß,
          Daß ich mir Ruh erreite!
          Es wird mir hier zu eng im Schloß,
          Ich will, ich muß ins Weite!”
 

Die Verführing, onder der Lieferant Affroumche Speyer unn dem Benquier Itzig Mannem sein Schickselche von Christian Heinrich Gilardone in Parodiee, Gedichtches und prousaische Uffsätz, Speyer 1832
"’Nu Salmche, sattel mich de Gaul,
Uff Mannem muß ich 'nunter,
Wenn ich dehahm hock, bin ich faul -
Unn is es denn e Wunder? -
Dou hockt mer unn seiht in ahm Eck -
Was zaeihlet ich des Bisslich Dreck -
Ich worr zu meiner Kalle!’
Das Salmche rennt zum Stalle. -”

     Die vollständige Parodie

 

 

4. Wahnsinn (monomania). in Hannoversche Annalen für die gesammte Heilkunde. 1. 1836
   “C. E., ein Landmann, alt 48 Jahr [...]
Man sah ihn z. B. auf dem Rande der Bettstelle sitzen, wobei er behauptete, er sitze zu Pferde, wie er denn beständig ein eigenthümliches Verlangen hegte, umher zu reiten und umher zu schweifen. Bürger's Vers: ‘Ich will und muss in's Weite, dass ich mir Ruh' erreite,’ ist hier bezeichnend.”

 

 

Die Entführung auf dem Zeiselwagen oder der Harfenist und der Bierwirth in Ein Beitrag zur heiteren Deklamation, Im Verlage bei Franz Wimmer, Ein zehnter Beitrag zur heitern Deklamation. Wien 1838
“’Ich spiel die Harfe heut nicht mehr,
Und lehne sie bey Seite -
Gebt noch ein Stutzen Bier mir her,
Und dann geh ich ins Weite’ -
Sprach ein berühmter Harfenist,
Wie in Hernals nicht Jeder ist -
Den Wenzel schiens zu plagen
Kaum konnt´ ers mehr ertragen.”

    der vollständige faksimilierte Text mit Original
 

Die Entführung oder Schneider Valentin Quend und Jungfer Rebecke Schach von Eginhardt. in Das Buch deutscher Parodieen und Travestieen, Zweiter Cyclus. Erlangen 1841
“’Math´s, gib mir die Pantoffeln her,
Kannst auch die Mütze holen;
Es wird um´s Herz mir angst und schwer,
Mir brennen meine Sohlen !’ -
So rief der Schneider Quend in Hast,
Voll Angst schier torkelnd, sonder Rast,
Und ließ die Seufzer schallen,
Als fühlt´er Satans Krallen.”

      Die vollständige Parodie

 

 

Augsburger Tagblatt 25.5.1843
“In einem Korrespondenzbericht aus K i s s i n g e n wird bemerkt: Durch die vielen Engländer, welche hier weilen, ist das Englische schon bei uns eingebürgert, daß jeder Hausknecht yes statt ja sagt. (Knapp! sattle mir mein Dänen-Roß, damit ich dorthin reite.)”
 

 

Rudolphi, Eduard: Dreißig Jahre in Rußland. 1845
“Der Verfasser? Ein Deutscher. Am Kinde sonst kein Aergerniß. Ob solche Leute wohl vor einem Hermannsdenkmal roth werden könnten! Denkmal wie würdig! Unter Tuiskon's Söhnen kein Verräther! Die Ballade zwickt.
  Knapp! satt'le mir mein deutsches Roß,
  Daß ich mir Ruh erreite,
  Es wird mir gar zu eng' im Schloß,
  Ich will, ich muß in's Weite.

  Hin in den Teutoburger Wald.
  Je höher, desto freier!
  So ängstlich ist's. Das Herz wird kalt,
  Die Luft ist nicht geheuer.

  Die Säule, die sich Freiheit haut,
  Ragt in das Uferlose.
  Sind wir etwa - zurückgeschaut,
  In der Metempsychose?”

 

 

Zeitspiegel in Regensburger Zeitung 12.10.1845
“Wohlhabende, sogar reiche Königsberger des Bürgerstandes wollen in Masse nach Amerika auswandern.
   ‘Es wird mir hier zu eng' im Schloß,
   Ich muß hinaus in's Weite,’
spricht der alte Bürger.”
 

 

Ein Praktikant lässt 1850 eine Privat-Anzeige in die Kemptner Zeitung setzen:
"Wegen schneller Abreise sage ich meinen Freunden hiemit schriftlich herzlich Lebewohl. Wer etwas von mir zu fordern hat, wolle sich gefälligst an Herrn Revisionsbeamten Klüber wenden, welcher die Güte haben wird, das Weitere zu verfügen.
    Knapp sattle mir mein Dänenroß,
    Daß ich mir Ruh' erreite.
Redenbacher, Ingenieur-Praktikant."

 

 

Hiesiges. in Augsburger Tagblatt. 11.4.1853
“Es wurde jüngst im ‘Tagblatte’ angeregt, man möchte zur Erweiterung des Anstoßgäßchen einige Mauer schleifen und Häuser abschleifen. Dieser Wunsch wurde Gegenstand einer magistratischen Besprechung, und als sich herausstellte, daß die Commune durch Erweiterung des Anstoßgäßchen nicht das Salz in der Suppe verdiente, so ließ man den Plan, das Anstoßgäßchen fahrbar zu machen, ruhig und gemüthlich abfahren. Nun plagt mich aber schon wieder der Gäßchen-Erweiterungs-Trieb, und es ist mir, als ‘würde mir's zu eng im Schloß’, deshalb sattle ich nicht mein Dänenroß; sondern den Hippogryphen und die Muse wird mir Schutz verleihen, daß ich mir Ruh' erreite, und die Herzen Derer erweiche, die sich allenfalls der Herzenserweiterung der Stadt widersetzen möchten.”
 

 

Kurier der Theater und Spectakel in Der Wanderer 31.1.1845
“Die Wiener huldigen freudig allen Künsten, warum sollten sie bei der edlen Reitkunst eine Ausnahme machen, zumal wenn sie durch reizende Damen zu Ehren gebracht wird? Bei Haslinger's Witwe und Sohn erschien so eben in Commisson ‘Hommage á Madame Lejars,’ Text in deutscher und französischer Sprache mit Pianofortebegleitung, und bei A. D. Witzendorf in Öl gemalt nach Naumann, und lithographirt Dlle. Pauline Cuzent, ihr Schulpferd ‘Buridan’ reitend. Wie Mancher, der im Circus diese Grazien hoch zu Rosse gesehen. möchte mit einem großen Dichter ausrufen:
    ‘Knapp sattle mir mein Dänenroß,
    Daß ich mir Ruh' erreite.’
Der Ruhigere aber, der Gelassenere wird seine Blicke mit Wohlgefallen auf dieses schöne Bild der schönen Pauline heften können.”

 

 

Der Humorist 17.2.1851
Theatralische Gerichtshalle.
Frau Megerle rief: ‘Knapp', sattle mir den Pegasus und führ' mich nach Paris, ein neues Stück ich bringen muß, sonst gibt es einen Riß.’ — Und siehe da, der Pegasus that seine Schuldigkeit, verfehlte aber den Weg und brachte den ‘Bajazzo’ aus Berlin!”

 

Ansbacher Morgenblatt 4.10.1863
“(Die Straßenlokomotive und ihre Folgen.)
Wir sind von nun ab eben so unabhängig von dem Willen der Eisenbahndirektionen, als von der Laune und Ausdauer der Pferde, und statt des Rufes: ‘Knapp, sattle mir mein Dänenroß!’ wird in Zukunft des Junkers Commando klingen: ‘Heizt mir den zweisitzigen Phaeton.’"
 

 

Süddeutscher Telegraph : Münchner Abendzeitung 19.10.1868
Quieta, non movere.
‘Knapp', sattle mir mein Dänenroß, daß ich mir Ruh' erreite!’ - so ruft zur Stunde der vielgeplagte Professor, der ungeduldige Schüler, der gelangweilte Aristokrat, der geschäftsmüde Kaufmann und vor Allen der bekannte Staatshämorrhoidarius. Daß es gerade kein Dänenroß sein muß, thut weiter nichts zur Sache. Der Eine tauft seinen gemeinen Grauschimmel so, der Andere ein miserables Gefährt, ein Dritter die eigenen Beine, nur mit der Ruhe hat es seine Richtigkeit.”

 

Figaro 28.3.1868
Schwarze Ritter.
„’Knapp', sattle mir mein Dänenroß,
Daß ich zur Sitzung reite,
Ich bin bewehrt zu Hieb und Stoß
Im klerikalen Streite;
Wenn mein gewohntes Glück ich hab',
So werf' ich selbst den ‘Josef’ ab!’

Graf Bloome sprach's und sprengte hin
Zum Haus der Herrengasse,
Kumpane dort begrüßten ihn
Von gleicher schwarzer Race;
Sie kamen trotzig zum Turnier,
Für Dame ‘Nacht’ zu fechten hier.

Wie tummelte der Däne sich!
Daneben auf dem Schecken
Graf Rechberg, klein, doch ritterlich.
Man kennt ihn, diesen Recken;
Bewaffnet war er mit Genie
Und mit dem Bismark-Parapluie.”

 

 

Passauer Zeitung : niederbayerische Volkszeitung 28.5.1870
Straubing, 26. Mai.
Wenn Einer also das Straubinger-Tagblättl liest, so kann er sich das Lesen aller übrigen gleichgesinnten politischen und unpolitischen Blätter ersparen. Also fertig ist er, der Herr Lucas, und zwar schlagfertig, denn die Schläge müssen ihm zu viel geworden sein, die er in der Kammer und im Klub bekommen hat. Er sprach also: Knapp' sattle mir mein Dänen-Roß, daß ich mir Ruh' erreite; es wird mir hier zu eng im Schloß, ich will und muß in's Weite.”

 

 

Der Bayerische Landbote 8.7.1875
“In neuerer Zeit soll nämlich Herr Rentamtmann von Aichach über die Schiller'sche [sic!] Ballade gekommen sein, welche also lautet:
   ‘Knapp, sattle mir mein Dänenroß,
   Daß ich mir Ruh' erreite!
   Es wird mir hier zu eng im Schloß,
   Ich will, ich muß in's Weite.’
Was auf gut Aichacher Deutsch übersetzt ungefähr so lauten dürfte:
   Hier sitz' ich armer Erdenklos,
   Umringt von dreckigen Bauern.
   Ich bleib' nicht länger in meinem Schloß,
   Ich will vor Aichach's Mauern.”
 

(Pastoralbriefe.) in Theologisch-praktische Quartalschrift 1877
“Denk ich ja noch daran, wie ich einst als Pfarrprovisor ängstlich geschwitzt habe, denn Furcht und Schrecken hatte sich meiner bemächtiget, als ich eine Copulation vorgenommen hatte, und nachdem Alles vorüber, die Brautleute fort, die Nacht mit schwarzem Schleier alles überdeckt hatte, ich die Trauungsmatriken öffnete und sehen mußte, daß der Bräutigam minderjährig und elternlos ist, und ich keine obervormundschaftliche Bewilligung, oder auch Großjährigkeitserklärung in Händen hatte.– ‘Obstupui, steteruntque comae, et vox faucibus haesit. ‘Knapp! sattle mir mein Däneroß,– daß ich mir Ruh' erreite;– es wird mir hier zu eng im Schloß,– ich will, ich muß ins Weite.’– Und ich lief hinaus in Nacht und Finsterniß, und eilte athemlos, bis ich kam zum Hause des Bräutigams respective des Neuvermählten, und – o wer beschreibt meine Freude: dort erhielt ich das gewünschte Document, das nur in der Eile vergessen worden war, mitgenommen zu werden.”
 

 

Carl Friedrich Müller: Die Pferdezucht nach ihrem jetzigen rationellen Standpunkt 1879
“Alle diese Ritterpferde waren übrigens ohne Ausnahme Hengste. - Die Küstenländer der Nord- und Ostsee zeichneten sich hauptsächlich in der Production derselben aus, speciell Dänemark, und Bürger beweist sich deßhalb als guter Hippologe, wenn er dem Knappen in der Entführung das ‘Dänenroß’ zu satteln befiehlt.”

 

 

Die Fliegenden Blätter 1880 bringen eine Bildergeschichte: Traurige Folgen schlechter Berufs-Erkenntniß.
“Eines Tages sagte der Ritter: ‘Knapp', sattle mir mein Dänenroß, daß ich mir Ruh' erreite.’ Der junge Mann, welcher noch nicht lange diente, wußte nicht, daß er ein ‘Knappe’ sei, ging kopfschüttelnd in den Stall, indem er vor sich hinmurmelte: ‘K n a p p sattle mir mein Dänenroß . . . warum ich das arme Roß k n a p p satteln muß, damit sich der Herr Ritter Ruh' erreiten kann, weiß ich nicht; aber Er ist der Herr, Ich der Diener — also muß ich gehorchen!’ Sprach's, ging

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in den Stall, sattelte das Dänenroß knapp
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und immer knapper,
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bis das arme Thier umfiel und elendiglich verschnaufete.”
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Die Neue Freie Presse 13.10.1881 macht sich Congreß-Gedanken
“Wir glaubten, sie würden nur in Reimen girren oder wenigstens den Collegen zurufen: ‘Knapp', sattle mir mein Musenroß!’ Die poetischen Damen sprachen aber sehr vernünftig, sehr witzig von ihren Verlegern, von 500 Mark, von 1000 Mark, von Vorschuß und allem Erdenstaube, der an den wallenden Gewändern der Musen hängt.”

 

Unterwerfen! in Der Floh 7.11.1886
“Knapp', sattle mir das Dänenroß,
Ich will den Waldemar reiten!
Den Battenberger bin ich los,
Ich selbst will Bulgarien leiten!

Mein Kalkoff singt von Freiheitslust
Den Sklaven in russischer Kette,
Und Kaulbars gibt den Meuchlern kühn
In Sophia jetzt Bankette.

Es knallt der Champagner, es schäumt der Wein,
Die Gläser klirren und klingen.
Entsetzlicher Wahn, wenn Büttel und Vogt
Von Völkerfreiheit singen.

Das gleicht, o Schichsalsironie!
Enropas Freiheitsleben.
Der Czar dictirt, und Europa ruft:
Unterwerfen und Ergehen!”

 

 

Kritische Theatergänge in Der Floh 23.10.1892
“Knapp', sattle mir den Pegasus,
Ich werde Distanz jetzt reiten,
Von Bühne will ich zu Bühne hin,
Du, Leser, sollst mich begleiten!”
kritischer_floh_1892

 

Anglo-amerikanisches Schlachtlied in Der Floh 22.12.1895
“Knapp, sattle mir das Dänenroß,
Ich will in die Schlacht jetzo reiten,
Cleveland sprach's, ‘ich schlage los,
Ich selbst will Venezuela leiten.’

Es knallt der Champagner, es schäumet der Wein,
Die Gläser klirren und klingen.
Entsetzlicher Wahn, wenn Yankee und Bull
Vom Kampfe und Kriege singen.

Das gleicht, o Schicksalsironie,
Des Krämers Ehrenhandel.
Zitt're Welt! Es bekriegen sich
Meter, Kilo nnd Kandel.”

 

Kladderadatsch 22.1.1899
“Literarisches.
Verboten sind in Schleswig-Holstein die Gedichte: ‘Gorm der Alte, König der Dänen’ — weil es für den Schleswiger nur einen König der Preußen geben darf, der noch nicht alt ist — und: ‘Knapp, sattle mir mein Dänenroß’; ‘denn’, sagt Köller, ‘wenn auch das Dänenroß nur ‘knapp’ gesattelt werden soll, so ist es doch überhaupt nicht zu dulden, daß der Däne sich aufs hohe Pferd setzt.’"

 

 

Nebelspalter : das Humor- und Satire-Magazin Band 38 (1912)
Köpenike ohne Ende.
S' war doch ein mustergült'ger Kerl,
Der Herr von Köpenik,
Denn seither ahmt ihn Mancher nach,
Zwar oft mit Mißgeschick.
In Belfort hieß es zum Soldat,
In schärfstem Feldherrnton:
‘Merk dir, daß ich Herr Jorry bin,
Hauptmann, zweite Schwadron!
Knapp sattle mir das Dänenroß
Ich muß ins Weite ziehn,
Und bring vors Café de la Bourse,
Den Klepper schleunigst hin!’

Der Hauptmann sprach's, der Page lief,
Und nach ganz kurzer Zeit,
Stand vor dem Café de la Bourse
Das Dänenroß bereit.

Der Hauptmann schwang sich auf im Hui,
Fort ging's im scharfen Trab,
Bei Courtemaiche kam unser Held
Jedoch vom Wege ab,
Es fiel sein Pferd vor Schreck und Angst
Verwundet ward es schwer,
Und schneidig rief der Hauptmann aus:
‘Sofort ein anderes her!’

Doch hollah! statt dem neuen Roß
Kam die Depesche an:
‘Paßt auf, es kommt ein Pferdedieb
Verhaftet diesen Mann!’

Nun kauert er im Kerkerlein
Und denkt mit trübem Blick:
‘Es scheint mir fehlt noch das Talent
Zum wahren Köpenik!’    W.”

 

 

Kikeriki 25.7.1920
“Landkennung.
‘Knapp, sattle mir mein Dänenroß,
Daß ich nach Schleswig reite,
Das jüngst man im Versailler Schloß
Von deutscher Fron befreite!’

Der König stieg zu Pferd, sein Troß
Gab treu ihm das Geleite,
Und südwärts sprengt' der Nordlandssproß,
Daß er das Neuland weihte.

Doch eine kleine Weile bloß
Er des Triumphs sich freute;
Sein Stolz erlitt bald einen Stoß,
Sein frommes Leibroß — scheute.

Auf Schleswigs Erde achtungslos
Warf's seinen Herrn beiseite!
Der stieg in eine Staatskaross'
Und suchte rasch das Weite.

Ob dieser Potentatenposs',
Ganz Schleswigs lacht noch heute,
Woraus mit Recht der König schloß:
‘Loyal sind's nicht, die Leute!’"

 

 

 

Die Weiber von Weinsberg

 

Bürger´s Weiber von Weinsberg, im modernsten Geschmacke hexametrisirt und stylisirt, mit klassischer Sedulität emendirt und kastigirt, durch zahl- und lehrreiche kritische Glossen locupletirt und illustrirt, und zum Nutzen und Frommen angehender Musenpfleglinge publicirt und promulgirt von dem Scholiasten der Striegeliade von J.F. Ratschky, Wien 1799
“Saget mir an, wo Weinsberg liegt, das Städtlein, (3.) das wackre ! (4.)
Vormals hausten darin der frommen und züchtigen Hausfraun
(Also verkündigt der Ruf) (5.) und der Mägdelein viele. Gelüstet´s
Je mich nach einer Gespons, so kies´ich sie traun ! mir aus Weinsberg.”

        Das vollständige Werk

 

 

Die Ische vun Weinsbargk von Christian Heinrich Gilardone in Parodiee, Gedichtches unn prousaische Uffsätz', Zweites Bändchen, Speyer 1834
“Wer waaß, wu Moukem Weinsbargk liegt? -
Nu, waaß es Kaaner, Leute,? -
Aß Aaner nergends Aane kriegt ; -
Süll er uff Weinsbargk reite:
Dort wouhnt é feiner, noubler Schlag, -
Das hoert´ ich all mein Liebestag. -”

      Das vollständige Werk
 

 

Das Prädikat, oder Weiberlist über Alles in Ein zwölfter Beitrag zur heiteren Deklamation in gesellschaftlichen Zirkeln, Wien. Im Verlag bei Franz Wimmer. 1840
“Erzählen hörte ich einmahl,
 Von einem wackern Städtchen,
An Schönheit hat man dort die Wahl
 Von Weiberchen und Mädchen.
Und daß sie superklug und fein,
Soll die Erzählung Zeuge seyn.”

      Das vollständige Werk
 

 

D´Wjwer von Weinsberg von Carl Friedrich Hartmann in Alsatische Saitenklänge. 1848.
“O saaue merr wo Weinsberg lejt?
Wer isch schunn dort gewese?
Brav müen dort d´Wibslydd sinn unn g´scheit,
Nooch dem was ich gelese!
Kummt mir emol´s Hyrothe-n-yn,
So reis´ ich, werzina, dort nyn.”

      Das vollständige Werk

 

 

S a c h s e n in Der Beobachter in Nürnberg : Blätter für Ernst und Scherz 11.1.1851
“ - Die Wittwe des in Baden standrechtlich erschossenen deutschen Freiheitsmärtyrers Adolph v Trützschler steht im Begriff, sich wieder zu verheirathen und zwar mit einem durchaus nicht demokratischen sächsischen Edelmann! - 
       Wer sagt mir an, wo Weinsberg liegt? - Nirgends!”

 

 

Kikeriki 13.11.1902
Ah, so was?
In einer ‘freiheitlichen’ Frauenversammlung sagte eine Frau Lang:
   ‘Wenn es sein muß, seien wir wie die Weiber von Weinsberg und nehmen wir die Männer auf den Rücken.’
  Das ist wohl leichter gesagt, als gethan. Probieren Sie es einmal, Frau Lang, ob sie den Neumann Buckelkraxen tragen können!”

 

 

Eine Parodie mit Bild und Text:

Zur Landtagswahl in Wien am 5. November in Welt-Neuigkeits-Blatt Wien 9. November 1902
wahl_wien_1902
 
“Die Wiener ‘Weiber von Weinsberg’
 Frei nach Gottfried August Bürger. -- Von Schartenmeier.
 Wer sagt mir, wo Wiens City liegt?
 Soll sein ein wackres Städtchen,
 Soll haben, fromm und klug gewiegt,
 Viel Weiberchen und Mädchen.
 Kommt mir einmal das Freien ein,
 So werd’ ich eins von dort nur frei’n.

 Einsmals Lueger Karol war
 Dem guten Städtlein böse
 Und rückt’ heran mit Kriegesschaar
 Und Reisigengetöse;
 Den Liberalen galt sein Zug,
 Den Sozi und dem Judentrug.

 ‘Hinaus mit Euch aus dem Landthing!’
 Ließ er da austrompeten, —
 ‘Vom Kärntner- bis zum Schottenring
 Soll’s aus sein mit den Nöthen!
 D'rum gebe Jeder seine Stimm'
 Den Meinigen, sonst wird es schlimm!’

 Drob’, als er den Avis also
 Hinaustrompeten lassen,
 Gab’s lautes Zetermordio
 Zuhaus und auf den Gassen,
 Besonders in der innern Stadt
 Da war gar theuer guter Rath.

 Es schrie'n ob weh die Juden all’,
 Die Kohn und die Merores,
 Zu hoch wird uns der Christenwall,
 Wir gehn wir geh’n kapores! -
 Doch wenn’s Mathä’ am Letzten ist,
 So rettet oft noch Weiberlist.

 Es fanden sich im Rottach’-Saal
 Zusamm’ die schönen Seelen,
 Zum Präses thaten sie zumal
 Die Daisy M i n o r wählen,
 Und Frau Marie L a n g sodann
 Gibt einen klugen Einfall an.

 Als kluges Weibchen hat sie doch
 Den Bürger einst gelesen
 Und weiß, wie’s einst —- sie weiß es noch —
 Zu Weinsberg ist gewesen.
 ‘W i r  t r a g’n  z u r  W a h l  i n  F r a c k  u n d  K l a c k
D i e  M ä n n e r  a l l e  H u c k e p a c k!’

 So sprach Frau Lang: Das Bild von Schwind,
 Das unser Blatt heut zieret,
 Hat vor den Augen ihr geschwind
 Sich ganz modernisiret.
 Allheil! und: Bravo! riefen sie -
 So ward das Bild zur Parodie.

 Und Parodie, das ist es auch
 In Wirklichkeit geblieben;
 D e r  F r a u e n b u n d nach altem Brauch
 Hat still zur Wahl getrieben.
 Die Judenweiber blieben z’haus:
 Mit Weinsberg-Spielen war es aus.”

 

Vom Ewig-Weiblichen. Kleine Satiren. in Der Floh 10.5.1903
“Nur die Weiber von Weinsberg sind hors concours,
Und das ist sehr zu beklagen.
Um Männer zu retten, müßt' jede heut'
Wohl mehr als einen tragen!”

 

 

("Selbst die Weiber von Weinsberg".) in Fremdenblatt 1.12.1918
“In einer Ehebruchsanklags, die der aus russischer Gefangenschaft zurückgekehrte Landsturminfanterist August D. gegen seine Gattin Anna anstrengte, führte er aus, daß er, seit dem Jahre 1907 verheiratet, bei Kriegsausbruch einrückte; er zählte auch die Gefechte auf, an denen er teilgenommen hatte. Als er nach mehrjähriger Abwesenheit seine Wohnung aufsuchte, fand er sie geräumt und traf seine Gattin nicht an. Es hieß, daß sie unter Mitnahme der ganzen Wohnungseinrichtung zu einem Kohlenhändler in die Leopoldstadt gezogen sei, dem sie die Wirtschaft führe.
In der Verhandlung wurde auch die Ehegattin des Kohlenhändlers, eine 70jährige Frau, vernommen, die angab, sie sei nahezu blind und wisse daher nichts Wesentliches anzugeben. Die Angeklagte wurde schließlich freigesprochen, worauf der Kläger die Berufung einbrachte, über die gestern ein landesgerichtlicher Senat unter Vorsitz des Landesgerichtsrates Dr. Heller entschied.
     Der Klagevertreter Dr. Fischl führte aus, wie bedenklich es sei, wenn ein 50jähriger Mann zu seiner 70jährigen Gattin eine hübsche Frauensperson ins Haus nehme. Der Verteidiger der Angeklagten Dr. Emil Rechert erklärte, er könne es dahingestellt sein lassen, ob einer vierjährigen Probe selbst die historische Treue der Weiber von Weinsberg standgehalten hätte; jedenfalls ermangle der sichere Beweis, und sei auch alles darüber einig, daß die von der Front Zurückkehrenden jede Erleichterung verdienen, so sei doch eine Beweiserleichterung bei Ehebruchsankagen nicht vorgesehen. Schließlich ging das Berufungsgericht ebenfalls mit einem Freispruch vor.”
 

 

De Weiwer von Weinsbärch von Lene Voigt in Säk’sche Balladen Band 1, ca. 1930
“Dr Gaiser Gonrad hatte Wut
Uffs Städtchen Weinsbärch sähre:
‘Wänn sich das nich ergäm mir dut,
Da gibts 'ne Mordsaffäre !’
So ließr dorch sein Häröld blasen
Nach Weinsbärch nein in alle Schtraßen.”

     Das vollständige Werk

 

 

Die Männer von Bierberg in Die Muskete 11. Juni 1931
“Ihr kennt die Weiber von Weinsberg,
Die wackeren und idealen,
Die aus der belagerten Stadt
Auszogen mit ihren Gemahlen.
     [...]
Doch nicht die Gattinen, nein
Die ließem alle zusammen
Die schlimmen Männer zu Hause
Und retteten bloß ihre Flammen!
     [...]   “

bierberg_muskete_1931

 

 

 

 

Das Mädel das ich meine
 

Das folgende Gedicht ist ein guter Beleg für Bürgers parodistische Ader. Ausgerechnet eines seiner schönsten Liebeslieder Das Mädel das ich meine hat er, offensichtlich auf Anregung Lichtenbergs, in der Poetischen Blumenlese Auf das Jahr 1779, Göttingen unter dem Titel
Die Hexe, die ich meine.    parodiert:
“O was in tausend Zauberpracht
Die Hexe, die ich meine, lacht!
Nun sing, o Lied, und sag's der Welt:
Wer hat den Unfug angestellt;
Daß so in tausend Zauberbracht
Die Hexe, die ich meine, lacht?

 Wer schuf, zu frommem Trug so schlau,
Ihr Auge sanft und himmelblau ? -
Das that des bösen Feindes Kunst;
Der ist ein Freund vom blauen Dunst,
Der schuf, zu frommem Trug so schlau,
Ihr Auge sanft und himmelblau.

Wer hat gesotten das Geblüt,
Das aus den Wangen strozt und glüht? -
Der Koch, den ihr errathen könt,
In dessen Küch' es immer brennt;
Der hat gesotten das Geblüt,
Das aus den Wangen strozt und glüht.

Wer schwefelte so licht und klar
Der kleinen Hexe krauses Haar? -
Hans Satan, der zu aller Frist
Der gröste Schwefelkrämer ist;
Der schwefelde so licht und klar
Der kleinen Hexe krauses Haar.

Wer gab zu Heuchelred' und Sang
Der Hexe holder Stimme Klang? -
O die Musik ist dessen wehrt,
Der die Sirenen trillern lehrt;
Der gab zu Heuchelred' und Sang
Der Hexe holder Stimme Klang.

Wer schuf, o Liedlein, mach es kund!
Der Hexe Brust so apfelrund? –
Der Adams Frau das Maul geschmiert
Und ihn mit Aepfeln angeführt;
Der schuf, zur Warnung sey es kund !
Der Hexe Brust so apfelrund.

Wer hat die Füschen abgedreht,
Worauf die kleine Hexe geht? -
Ein Drechsler war es, der es that,
Der selber Ziegenfüschen hat:
Der hat die Füschen abgedreht,

Worauf die kleine Hexe geht.

Und wer versah, so schlangenklug,
So Herz als Mund mit Lug und Trug? -
Er that's, der höllische Präfekt,
Der in die Welt die Lügen hekt;
Der, der versah, so schlangenklug,
So Herz als Mund mit Lug und Trug.

Wie kommt es, daß zu jeder Frist,
April der Hexe Walspruch ist? -
Der Teufel, der's ihr angethan,
That's ihr der Hörner wegen an;
Denn wenn die Hexe standhaft wär',
Wo nähm' der Teufel Hörner her?

Den gnade Gott, den sie berükt
Und in ihr Zaubernetz verstrikt!
Denn, nicht für meiner Sünden Pein,
Möchť ich des Teufels Schwager seyn.
Drum gnade Gott, den sie berükt
Und in ihr Zaubernetz verstrikt!” 
 

Doch damit nicht genug. Bürger, der auch Herausgeber des Göttinger Musenalmanachs war, hatte bisweilen merkwürdige Einsendungen zu begutachten. So schreibt er an seinen Verleger (Brief vom 20. Juli 1780): “Zu dem holdseeligen Ziele, der Jüngling den ich liebe, das ich ja mit aufnehmen soll, weil es so sehr gefält, habe ich in der beliebten Manier des Verfassers einige Zusätze gemacht, die Euch und allen Euren Mitkennern, denen alles geschissene gemalt heisset, nicht minder gefallen werden:[...] Seht, passen der große Satler, der große Kanonier, der große Kürschner, der große Gärtner, der große Schäfer, der große Beutler, der große Drechsler, nicht gar scharmant zu dem großen Färber, dem großen Juwelier, dem großen Lackirer, Emaillemacher u.s.w. des beliebten und belobten Herrn Verfasser?...Zeigt doch die schönen Zusäze Lichtenbergen.” 
Vermutlich kam das Werk auf diesem Weg in die Öffentlichkeit. In den Kanthariden. Rom, 1788 bei Giovanni Tossoni findet sich:
Die Wunderwerke.
Wer hat die Arschback ausgestopft
die sich so prall anfühlt und klopft?
Der große Sattler hats gethan,
der Pferdelenden polstern kann.
Der hat die Arschback ausgestopft,
die sich so prall anfühlt und klopft.

Wer hat gemacht, daß mit Gewalt,
sein F---z vom Arsche donnerd knallt?
Das hat der Kanonier gethan,
der Feuerberge laden kann.
Der hat gemacht, daß mit Gewalt,
sein F---z vom Arsche donnerd knallt.

Wer hat den Arsch mit Pelz geziert
und ihn mit Klunkern ausstaffirt?
Der grosse Kürschner hats gethan
der Hermeline schwärzen kann.
Der hat den Arsch mit Pelz geziert,
und ihn mit Klunkern ausstaffirt.

Wer pflanzte mir zum Zeitvertreib
den schönen Stengel vor den Leib?
Der große Gärtner hats gethan.
der dicken Spargel treiben kann.
Der pflanzte mir zum Zeitvertreib,
den schönen Stengel vor den Leib.

Wer ist es, der genähet hat,
den Wunderbeutel ohne Nath?
Der grosse Beutler hats gethan,
der solche Kunst allein nur kann.
Der ist es, der genähet hat,
den Wunderbeutel ohne Nath.

Wer drechselte fürwahr nicht klein
die Eier voller Dotter drein?
Der grosse Drechsler hats gethan,
der Strausseneier drechseln kann.
Der drechselte fürwahr nicht klein,
die Eier voller Dotter drein.”


 

Eine weniger drastische Parodie kann man in der Litteratur- und Theater-Zeitung 11.9.1779 finden:
Ausforderung an Bürger.
Schöner, B ü r g e r ! reim ich ein,
Süßer mag Dein Liebchen seyn:
Schöner ? süßer ? - mag es doch !
Wär es zehnmal schöner noch:
Lieber, holder, als das Deine,
Ist das Mädel, das ich meine.

Jener Auge sey so blau,
Wie die Hyacinth im Thau;
O in solcher Liebespracht
Hat es Dir doch nie gelacht:
Solchen Himmelsblick hat keine,
Als das Mädel, das ich meine.

Lieblich ist auch ihr Gesicht,
Und aus Stirn und Wange spricht
Engelseele fromm und rein,
Ruhig hell, wie Mondesschein:
Solchen Unschuldglanz hat keine
Wie das Mädel, das ich meine.

Und der das an ihr gethan,
Nahm sich meines Herzens an,
Haucht ihm süße Hofnung ein,
Noch von ihr geliebt zu seyn:
Daß ich nicht mehr trostlos weine
Um das Mädel, das ich meine.

Bleibt D i r schon im Bardenkreis
Unentwegt der Liederpreis;
Wag ich in der Liebe schier
Einen Wettekampf mit Dir:
So geliebt wurde keine
Wie das Mädel, das ich meine.
              K. E. S.”

 

 

Sehr überraschend ist es, wenn sich Adelbert von Chamisso in einem Brief der Parodie von Bürgers Das Mädel das ich meine bedient um über seine Expedition mit der Rurik und seine Entdeckungen zu berichten.
Stoßseufzer bei der Heimkehr (1818) von Adelbert von Chamisso [Titel in der Werkausgabe von 1870]. Als Brief an Hitzig "Aus England", Dienstag 16. Juni im Jahre 1842 veröffentlicht.
“Wer gab mir jenen Carabus, *)
Den Unalaschka nähren muß?
  Der Doctor Eschholtz hats getan,
  Der Läus' und Wanzen geben kann.
   Der gab mir jenen Carabus,
   Den Unalaschka nähren muß!

Wer gab auf Peru's reicher Flur
Mir Achyrantes**) Unkraut nur?
  Der junge Kunth hat es gethan,
  Der Palmen selbst austheilen!
   Der gab auf Peru's reicher Flur
   Mir Achyranthes Unkraut nur!

Wer gab am Nordpol hart und fest
Mir das verfluchte Felsennest?
  Der Kotzebue, der hat's gethan,
  Der Meer und Land vertheilen kann.
   Der gab am Nordpol hart und fest
   Mir das verfluchte Felsennest!

Der Felsen ist ein hartes Bett,
Und Achyranthes macht nicht fett.
  Was bringt ein Carabus wohl ein?
  Der Sack ist leer, der Muth ist klein.
   Der Felsen ist ein hartes Bett,
   Und Achyranthes macht nicht fett!

Erst wäre der der rechte Kerl,
Sei's Kaiser, König oder Earl,
  Der mir verehrt als Ehrenlohn
  Recht eine tüchtige Pension.
   Ja der wär' erst der rechte Karl,
   Sei's Kaiser, König oder Earl.

Doch Niemand, Niemand denkt daran,
Schlemihlen hängt der Dallas an!
  O Schwerenoth! o te beda!
  Der Teufel hat mich wieder da
   Und Niemand, Niemand denkt daran:
   Schlemihlen hängt der Dallas an.

*) Insect. Carabus Chamissonis Schscholz in M. Sept. habit. Unalaschka.
**) Pflanze. Chamissoa, Kunth in plantis aequinoctiallibuis. Humboldt. et Consort. Achyranthea species.
[Unalaschka = Insel im Südwesten von Alaska, die Chamisso als Wissenschaftler auf dem Schiff Rurik unter Kapitän Otto von Kotzebue besucht hat]”
 

 

 

Münchhausen


jaegerlatein_gilardone_1839
Jäger-Latein, oder des berühmten Freiherrn v. Münchhausen [...]. Poetisch bearbeitet im Versmas von Blumauer's travestierter Aeneis von Chr. H. Gilardone, Hanau 1839
“Vorwort an die hochungeneigten Herren Rezensenten.

Weil mir die Sache selbst Vergnügen machte,
Hab' ich in eigner Art sie ausgeführt;
Darum ihr Herren, sachte, sachte, -
Nicht gar zu haarscharf rezensiert;
Verschüttet nicht mein Kindlein sammt dem Bade,
Ihr lieben Herr'n, - ich fleh' um Gnade.
Deutschland idt gtoß: ‘däss iss 'e alt' Geschicht',’
Wie unser Millerche von Speyer spricht -
Und der Geschmack ist überall verschieden;
Drum will mein Büchelchen der Eine nicht,
So kann's Erheit'rung doch dem Andern bieten; --
Auch wird als Dreingab' mancher Witz gebracht,
Den unser wackrer Freiherr nicht erdacht;
Der Herr'n Münchhausen giebt's noch viel' hiernieden
Und wenn nur hier und da ein Leser lacht,
Dann bin ich reich belohnt und königlich zufrieden. -
   Speyer, im Wonnemond 1838
           Gilardone”

      Das vollständige illustrierte Werk (ca. 44MB)

 

 

Münchhausen in Fliegende Blätter Nro. 994, 1864
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Den Münchhausen konnte man, wie jedes Werk, zur politischen Waffe machen, so Münchhausen redivivus im Kladderadatsch 23. Juni 1918
Auf die Transkription des Textes wird hier verzichtet.

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Lenardo und Blandine

 

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“Gatschinka sah her, Leonhartl sah hin,
Mit Augen, erleuchtet vom zärtlichsten Sinn,
Sie, d´niedlichste Wäsch´rinn am Alserbach,
Er, Hausknecht, gab Keinem an Schönheit was nach.”

      Die vollständige Parodie als pdf

 

Leonhardtel und Blondinel. Parodie (von Bürgers Leonard und Blandine) mit Ges. in 1 Akt. Musik von Franz Joseph Volkert. Aufgef. Wien, Th. in der Leopoldstadt 19. Jan. 1819 - Dokument konnte nicht ermittelt werden.

 

Ludwiga von Caroline Lessing in Schlesischer Musen-Almanach 1829 - eine wohl eher ungewollte Parodie.

“Als Held in der Schlacht, und als Edler im Land
War Hugo, der stattliche Ritter, bekannt.
Viel Narben verschönten sein stolzes Gesicht,
Hoch glüthen die Wangen für Ehre und Pflicht.”

     Der vollständige Beitrag als pdf
 

 

Lenardo und Blandine. Tragische Pantomime in 5 Aufzügen nebst einem Vorspiele. Musik von Kapellmeister Sulzbeck in Fliegende Blätter Nro. 27 1846
Folgend einige Ausschnitte:
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Die vollständige Tragische Pantomime als pdf.

 

Lenardo und Blandine. Große tragische Oper in 3 Acten und 6 Bildern. Frei nach G. A. Bürgers gleichnamigen Gedicht von
Franz Mögele – 1876

Über eine Aufführung dieses Werkes schreibt die Grazer Zeitung 20. 1. 1876:  
“Die Musik Mögeles, der sich mit der Composition zu ‘Friedrich dem Heizbaren’ so glücklich eingeführt, ist eine sehr gelungene, sie ist die schärfste Persiflage der modernen Operette und eine amüsante Parodie der italienischen Oper (nach Art der ‘Garguillada’ im ‘Theatralischen Unsinn’). Dabei ist die Composition voll ansprechender Melodie und an sehr vielen Stellen reich an musikalischem Witze. Sehr hübsch sind die national-spanischen Arien des Molch, die Wahnsinns-Scene Blandinens, dann alle die italienische Oper carrikirenden Gesänge, so namentlich das obenerwähnte Quartett, das wiederholt werden mußte, und die große Arie Lenardos.”

 

 

 

Der Kaiser und der Abt

 

Die Zeichensprache von W.....m in Neue Flora, 7. Februar 1835
“Ihr kennt Bürgers Mährchen vom Abt aus St. Gallen?
So laßt Euch ein Seitenstück dazu gefallen;
  Ihr seht daraus, wie der Gelehrsamkeit Wahn,
  Hochweise oft irr' führt auf ebenster Bahn.
          [...]
Da hätte ich bald meine Rolle vergessen,
Denn Spott auf die Heimath scheint doch zu vermessen,
  Nun zog ich den Kuchen aus Haber hervor,
  Daß, wer mehr will als er bedarf, sey ein Thor.

Recht herzlich belachten dieß die Professoren,
Den rechten Mann hatten sie Alle erkohren;
  Sie führten zum Lohn ihn, zum Wein und zum Schmaus
  Und lachten den Zeichenerfinder brav aus.”

           Die vollständige Parodie

 

Der Bürgermeister im Waldschlag in Der Eilbote, Landau in der Pfalz 25.3.1843
“(Eine wahre Geschichte in hochdeutschen Reimen.)
Ich will Euch erzählen ein Mährchen gar schnurrig
Es gibt einen Bürgermeister, der Bürgermeister ist kurrig,
Auch gibt es einen Bauern, kein sehr pfiffiger Mann,
Der aber das Verborgene ans Licht ziehen kann.
[...]
Dort thronet der Mann, von dem ich berichte
Die ganz wahre noch neue Geschichte;
Es ist - nun Leser! errathe es nur,
Es ist - der regierende Bürgermeister von Burr......!
             Burrweiler, 23. März 1843”

        Die vollständige Parodie

 

 

Der Chozef und der Row. Jüdische Parodie des Gedichtes der Kaiser und der Abt von G. A. Bürger. Travestirt für unsere Leut. von Reb Schamsche Zoreles Leipzig 1846
“Iach wer thün enck messapere e gor groiße Schmüe:
Emol wor N'Oischer; der hot gehand'lt mit Twüe,
Es wor ach e Row, mit e sehr groißen Bort:
Nur hot er! Vorn Schammes nischt klären getort.”

[Allein zu diesen vier Zeilen gibt es neun Anmerkungen um das Werk verständlich zu machen.]

         Die vollständige Parodie

 

Aber von Carl Friedrich Hartmann in Alsatische Saitenklänge 1848.
“’Der Mann, der das Wenn und das Aber erdacht
Hat sicher aus Häckerling Gold schon gemacht’  Bürger. 

Wer das A b e r hat erfunden,
Ward im Widerspruch erzeugt;
Hat des Wirkens Trieb gebunden,
Manchen Freudengott verscheucht.   

Wer das A b e r hat erfunden,
Wae der Vorsicht launig' Kind,
Hat in gleichem Wort verbunden
Heil und Leid und Pflicht und Sünd'.

Schuf ein Wort, dess' Angstgestalten
Hemmten schon manch' große That,
So wie auch mit weisem Walten
Rettend tönt' an Abgrunds Pfad.

Wörtchen, dessen finstres Mahnen
Stört der frohen Knaben Spiel,
Und dess' weit ausschauend Ahnen
Warnend malet manches Ziel.

A b e r, böses, liebes A b e r,
Trockne Weisheit, Irrgesang,
Dein Erfinder, warum gab er
Dir bald falsch', bald richt'gen Klang?”
 

 

Ein Mährchen in Kladderadatsch 28. August. Berlin 1859
 “ Ich will euch erzählen ein Mährchen gar schnurrig,
Es war ´mal ein Kaiser, der Kaiser war kurrig:
Ein fliegendes Blättlein das ärgerte ihn,
Und doch las er's jedes Mal wann es erschien.

  Es kochte dabei ihm das Blut in der Ader.
Was hilft mir - so rief er - mein Kriegesgeschwader?
Was hilft mir mein Pulver, was hilft mir mein Blei,
Mein Ruhm, mein Triumph und das Vivatgeschrei?”

    Alle 26 Strophen dieser kritischen Parodie

 

Der Kaiser und der Abt (Frei nach Bürger) in Humorist, Wien 5. März 1860
"Und kann ich die italienische Frage nicht lösen,
So bist Du zum Längsten hier König gewesen:
So laß Ich Dich führen, auf einem Esel durch's Land,
Verkehrt, statt des Zügels, den Schwanz in der Hand."

kaiser_abt_humorist_1860

 

Der Kaiser und der Abt in Nürnberger Beobachter 2.10.1862
“Ich will euch erzählen ein Märchen gar spaßig.
Es war 'mal ein Kaiser groß-artig und -nasig:
Auch war 'mal ein Abt, ein gar stattlicher Herr,
Nur schade, der Kaiser war klüger als er.

Dem Kaiser ward's sauer mit Drobern und Mahnern,
Mit Legitimisten und Republikanern,
Mit Noten und Reden, mit Welschland und Krimm.
Doch blieb er besonnen, kam selten in Grimm.
      [...]
Das rathet, Herr Abt, und dann sprechen wir weiter!’
Drauf trabte der Kaiser von dannen ganz heiter;
Der Pfaff' aber seufzte: ‘Die Nüsse sind hart!
Dazu gehört ein Gebiß, ganz apart!

Und ob ich sie knacke, ob nicht sie kann knacken,
Wird so oder so er beim Schopfe mich packen;
Denn Eines geht klar aus den Räthseln herfür:
Man setzt mir gewiß noch den Stuhl vor die Thür!’"

    Die vollständige Parodie

 

Eine traurige Geschichte in Wiener Funken 4. Mai 1870
“(Frei nach Bürger.)
Die neue freie Presse
Macht Skandal jetzt und Excesse.
Sie wüthet und sie schmäht,
Weil sie nicht mehr am Brett,
Weil sie nicht hoch zu Rosse
Vorreiten kann dem Trosse,
Weil man, was sie jetzt sagt,
Gar anzuzweifeln wagt.
Weil officiös sie nimmer
Ihrem Haupte fehlt der Schimmer,
Mit dem sie cokettirt
Und nebstbei - profitirt.
Das sind zwar große Plagen,
Doch wären sie zu tragen,
Wenn der geheime Fond, o weh,
Nicht pfutsch wär' für die holde Fee.
Das ist die schauderhafte Mähr'
Woraus sich ziehen läßt die Lehr':
‘Bist Du auch wie ein Leintuch groß,
Setz niemals Dich aufs große Roß,
Sonst kannst Du reiten per Esel durch's Land
Verkehrt statt des Zaumes den Schweif in Hand.’"

 

 

Die weltlichen Unfehlbaren in Berliner Wespen 14.4.1871
“Ich will Euch erzählen ein Mährchen gar spaßig:
Es war mal, - wann war's doch? Die Jahrszahl vergaß ich, -
Da tagten Europas Gelehrte einmal
Es saßen die Besten der Besten im Saal.

Nach ernsten Debatten ward schließlich beschlossen,
Das, was ihrer eifrigsten Forschung entsprossen,
Das, was sie ergründet in reichlichem Maaß,
Den Laien zu künden, und also geschah's.
[...]
Doch w e n n mit dem Fluch und dem Bann sie ihn hetzten,
Wenn s i e einen Stuhl vor die Thüre ihm setzten,
Wenn s i e i h n verfolgten nach s e i n e m C o n c i l,
Ich möchte wohl wissen, wie i h m das gefiel'!”
     Die vollständige Parodie
 

 

Der Abt von Sanct Olpe (Frei nach B ü r g e r) in Kladderadatsch 15.12.1872
olpe_1872

 

 

Bischof und Rektor in Nebelspalter 24.3.1877
“Ich will Euch erzählen ein Märchen gar schnurrig:
Es war mal ein Küttel, der Küttel war knurrig;
Auch war mal ein Bischof, ein abgesetzter,
Der Kanzler war eben viel klüger als er.
       [...]
So ließ man Herrn Küttel, Direktor, entbieten,
Er solle die Buben auch fernerhin hüten;
Herr Lachat verbleibe Liebhaber vom Wein
Und Düret schatzmeisterlich treuer Wardein.”

     Die vollständige Parodie

 

 

Kaiser und Kanzler in Der Nebelspalter 29.3.1890
“Ich will Euch erzählen ein Märchen gar simpel:
Es war mal ein Schiff mit gewaltigem Wimpel,
Drin herrschte der Lenker, ein mächtiger Herr,
Nur schade, der Steu'rmann war mächt'ger als er.

I h n ehrte als Meister das Volk der Matrosen,
I h m jauchzten sie Beifall, wenn mitten durch Tosen
Des Sturms und der Wellen, durch Klippen und Riff
Er lenkte mit sicherem Steuer das Schiff.

Das konnte dem Lenker nicht länger behagen,
Er wollte zur Schiffahrt doch auch etwas sagen.
Doch als er die Stimme nun hob zum Befehl,
Da grollte der Steuermann tief in der Seel'.

So standen die Beiden sich grollend entgegen:
‘Z w e i dürfen nicht herrschen, e i n Herrscher bringt Segen.’
Das wußten die Beiden, und kamen zum Schluß,
Daß der Steuermann weichen dem Höheren muß.

So hat denn der Hüne das Steuer verlassen,
Und gibt's einem andern Hünen zu fassen,
Der willig dem Dienste des Herrschers sich stellt.
Ob die Kraft ihn eignet? - Es harret die Welt!”

 

 

Eine alte Historia in Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 15.1910
“(Frei nach Bürger ‘Der Kaiser und der Abt’)
Es war 'mal ein Kurfürst. Der Kurfürst war schnippig.
Es war 'mal 'n Triarier. Der Triarier war üppig.
Drum dachte der Kurfürst beim vollen Pokal:
Den dicken Triarier, den kauf' ich mir mal.”

     Die vollständige Parodie

 

 

Der Pächter von Cadinen in Illustrierte Unterhaltungs-Beilage des Wahren Jacob 1913
“Es war mal ein Kaiser, der Kaiser war heiter.
Es war mal ein Pächter, der fiel von der Leiter.
Der Kaiser, der tat es der Welt zu wissen,
Er habe den Pächter hinausgeschmissen.”

     Die vollständige Parodie

 

 

Eine Blüte der Propaganda aus dem II. Weltkrieg:
Das Märchen von der Dnjepr-Flotte in Oberdonau-Zeitung, 1. März 1944
"’Ich will Euch erzählen ein Märchen gar schnurrig ...’ So lustig wie weiland der alte Gottfried August Bürger muß man schon beginnen, wenn man die kuriose Geschichte von der Dnjepr-Flotte berichten will, die das schwedische Blatt ‘Aftontidningen’ seinen Lesern aufzutischen wagt. Im Jahre 1941 hätten die Bolschewisten beim Vormarsch der Deutschen die Dnjepr-Flotte tief im Strome versenkt. Selbstverständlich hätten die dummen Deutschen die lieben Schifflein all die Jahre der Besetzung hindurch nicht gefunden. So gut hatten die braven Bolschewisten, denen die ganze Sympathie dieses schwedischen Blattes gehört, sie versteckt. Kaum aber waren die Bolschewisten am Dnjepr angelangt, da begann man die Flotte zu heben, und jetzt, wenige Monate später, arbeite man schon fieberhaft an der Instandsetzung. Tüchtige Leute müssen das sein! Und noch tüchtigere Schiffe, die nach drei Jahren Lagerung am Grunde des Flusses sich so leicht wiederherstellen lassen. Aber gewissen schwedischen Blättern ist eben kein Märchen zu albern und kindisch - wenn es für die Bolschewisten vorteilhaft klingt, setzen sie es ihren Lesern vor. Für soviel Aufmerksamkeit muß man sich bedanken - wahrscheinlich war also das der Grund, warum die Moskowiter kürzlich ohne jede Vorwarnung nachts Bomben auf das hell erleuchtete Stockholm geworfen haben. Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft.”
 

 

 

An die Hoffnung


Ode an dei Hoopnung. in Dei Wörde det Manns, Im Jahr Christi 1793 sassisch verposselt, nach Bürgers Männerkeuschheit [1812] 
“O beste holder Fayen!
Met leewevullem Sinn,
Vom Himmel utersaihen
Taur Minschentrösterin!
Schön, wie dei Morgenstunne,
Dei rosig an us bräkkt,
Un met dem Purpurmunne,
Dei Honnigrede, spräkkt:”

    Das vollständige Werk
 

 

Das harte Mädchen


Elegie eines Schneidermeisters. Seinen Schuldnern gesungen von *** in Parodieen. Gesammelt und herausgegeben von Karl Müchler, Berlin 1820
“Ihr nennt die Schneider freudenreich,
Weil sie so munter hüpfen,
Ach! ihr wißt nicht, wie viel um euch
Uns Thränen oft entschlüpfen.”

    Das vollständige Werk  

 

 

Der Graurock und die Pilgerin

 

Die Linzer-Nanni und der schöni Pepi oder die Stärke der treuen Liebe. Parodie der Ballade: Der Bruder Graurock und die Pilgerin von G. A. Bürger. Wien 1837
“Die Linzer-Nanni, jung und schön,
Geht schnell der Herberg zu;
Sie zog die Glocke an dem Thor,
Im Schlafrock Einer trat hervor,
Pantoffeln statt der Schuh.”

    Das vollständige Werk
 

 

Der Graurock und die Pilgerin
im memoriam Gottfried August Bürger
von Carl Georg von Maassen in Diotimas Blumenkörbchen 1919
       “I.
Des Nachts am Kirchturm rechts und links,
Die Fahne knarrt, das eitle Dings,
Bald rechts, bald links -
          bald rechts, bald links.

        II.
Der Graurock naht im grauen Kleid,
Ist's ihm zu eng, ist's ihm zu weit?
Zu weit? Zu weit? Zu welcher Zeit?
          Zu welcher Zeit?

        III.
Die Pilgerin des Weges zieht,
Das Gras am Weg ist abgeblüht,
          ist abgeblüht.

        IV.
O Gras, o Weg, o Pilgerin,
O Graurock, Du mit leichtem Sinn,
          Wo willst Du hin?

        V.
Du Graurock, laß die Pilgerin,
Sie ist wie Du so leicht im Sinn,
          Wo soll das hin?

        VI.
Des Nachts am Kirchturm rechts und links,
Die Fahne knarrt, die Fahne singt's -
          sie singt's.

        VII.
Die Fahne singt, daß in der Nacht,
Der Graurock zehnmal es gemacht
Der Pilgerin, der Pilgerin
Der Pilgerin mit leichtem Sinn.

         VIII.
Zehn Tage später warf vom Turm,
Die Fahne ein gewalt'ger Sturm.
Den Graurock mit dem leichten Sinn
Was andres warf aufs Lager hin,
Aufs Lager hin.”
 

 

Der große Mann

Glossen-Kranz. von August Grebe in Frankfurter Konversationsblatt, 7. Juli 1843
“Es ist ein Ding, das mich verdreußt,
Das tief mich kränkt und zürnen macht, -
Die nied're Sucht, die groß das heißt,
Was Edelsinn als klein verlacht,
Die, was ein Mächtiger gelobt,
Nicht minder rühmt, und nichts erprobt!”

    Das vollständige Werk
     

 

Der Raubgraf

Das kleine Hexchen und die modernen Walzer. Parodie der Ballade: Der Raubgraf. in Ein zwölfter Beitrag zur heiteren Deklamation in gesellschaftlichen Zirkeln, Wien. Im Verlag bei Franz Wimmer. 1840
“Es liegt nicht weit von hier ein Land,
  Da reist' ich einst hindurch,
Am Weg auf hohem Felsen stand,
  Vor Alters eine Burg.
Die alten Rudera davon
Wies mir der Schwager Postillon.”

    Das vollständige Werk

 

 

Die Kuh


Der Schuldner. Von Eginhardt. in Z. Funck [d.i. Carl Friedrich Kunz], Das Buch deutscher Parodieen und Travestieen, Zweiter Cyclus, Erlangen 1841
“Den letzten Kreuzer wohl hin und her
Schob Veit mit verzweifelndem Klagen.
Ach, Manche bekümmern die Schulden wohl mehr
Als andere Leute sich sagen.”

    Das vollständige Werk



Frau Schnips


Frau Surpf von Carl Friedrich Hartmann in Alsatische Saitenklänge. 1848.
  “Mit Stroßburrjer Cräyon getreu abkaltiert uff d´F r a u S c h n i p s in G. A. Bürgers Gedichte.
D´Frau Surpf, by iehrer sechste Tass´
Unn nooch em achte Wecke,
Macht plötzli de koriose G´spaß
Unn thuet sich langs hienstrecke.”

    Das vollständige Werk

 

 

Hummellied

 

Parodie von Bürger's "Hummel-Lied" von - k. in Der Gesellschafter, 12. April 1826
“Die Kritiker sind Hummeln gleich.
Ihr Dichter mögt euch hüthen !
Sie schwärmen durch Apollo´s Reich,
Vernichten Blum' und Blüthen.
Sie irren und sie schwirren hin,
Mit Wähnen und mit Höhnen,
Und wollen ihren kecken Sinn
Zur Frechheit schnell gewöhnen.

Gedichte sind dem Honig gleich,
Die Hummeln nah'n sich leise;
Ihr tücht'gen Leute, hüthet euch
Vor ihrer täpp'schen Weise,
Sie nagen hier, sie schlagen da,
Sie ritzen euch mit Spitzen,
Bis sie, so schnell sich spricht ein Ja,
In Schätzen And'rer sitzen.

Die Dichter sind den Bäumen gleich
In ihren Frühlingstagen;
Sie blüh'n gesunder, wenn sie reich
Die Reinheit in sich tragen.
Zertummelt da, zerhummelt hie,
Müßt ihr euch schuldlos fühlen;
Traut eig'nem Geist und lasset nie
Den innern Schatz zerwühlen!”
 

 

Liebeszauber


Magentyranney. Von Eginhardt. in Z. Funck [d.i. Carl Friedrich Kunz], Das Buch deutscher Parodieen und Travestieen, Zweiter Cyclus, Erlangen 1841
“Magen, höre auf mein Wort!
Fahr´nicht stets zu plagen fort!
Magen, merke was ich sage,
Gieb Bescheid auf meine Frage!
Holla, höre auf meinn Wort!
Fahr´nicht stets zu bellen fort!”

    Das vollständige Werk
 
 

Männerkeuschheit


Dei Wörde det Manns. in Dei Wörde det Manns, Im Jahr Christi 1793 sassisch verposselt, nah Bürgers Männerkeuschheit [1812]
“Wem Wollust nie den Nakken bog,
Nich der Gesundheet Mark entsog;
Nur Geist dei Wundersenne strafft,
Nich brunftet Bull- un Bären-Kraft;”

    Das vollständige Werk
   
 

Alles Mögliche zu Bürger

 

Biedermannsmär von R. H. Markowsky in "Was ich athme wird Moral" Parodien vom Minnesang bis Gottfried Benn 1961
“Gottfried August Bürger
1747-1794

Paßt her, ich berichte
Ein Märlein behend!
Zwar stammt die Geschichte
Von Percy aus Kent,

Doch s'Leserlein ahnet
Den Pump ja wol nicht;
Und wer mich drum wahnet,
Der heißt mir ein Wicht!

Ein Knabe flög' gerne
Zur Liebsten wol hin,
Doch die wohnt sehr ferne,
Halbweg nach Berlin.

Potz Hummel und Nante!
Was Teufel- entfernt!
Wozu hat Grostante
Denn zaubern gelernt?!

Schon lehret die Alte
Den Schwesterkindsohn,
Daß Gott uns erhalte!
Schon fliegt er davon!

Er fliegt mit der Sonnen,
Der Mittag ist heiß;
Wie aus einem Bronnen
Bricht aus ihm der Schweis.

Da blincket ein Krönlein,
Da spreizt sich ein Schloss,
Da zecht ein Barönlein
Mit Schrantzen und Troß!

Hopp! Sektpfropfen knallen,
Da giebt es ein Mahl!
Schon lässt er sich fallen,
Krachbumm! in den Saal!

Er bricht wie ein Kerl ein!
Sie blicken ganz stier.
Das schmausende Herrlein
Verschlucket sich schier.

Nur munter, ihr Wänste!
Her Flasche und Glaß!
Beim Saufen erkennste
Erst wirklichen Spaß!

Das Dienergeschwader
Steht starr wie ein Bild;
Die blaue Schlagader
Dem Herrlein anschwillt:

Ich dachte, ein Engel
Flog mir in das Haus,
Doch ist's nur ein Bengel,
So werft ihn hinaus!

Da beitzet den Recken
Der herrische Hohn,
Er brüllt zum Erschrecken
Mit Biedermannsthon:

Geschniegelte Affen!
Seht, wer vor euch steht:
Zum Hencker, ihr Laffen!
Ich bin ein Prolet!”
 

 

Ein weiteres Werk von Maassen in Diotimas Blumenkörbchen ist
Das Lied vom Oberarzt

Sagt an, w a s ist ein Oberarzt?
ist’s der, der mit den Stiefeln knarzt,
Der voller Stolz und unentwegt
Die weiße Küchenschürze trägt,
Der bald aus Nothdurft, bald zum Spaß
Die blanke Brille auf der Nas’,
Der selbst vor Leichen noch posiert
Und Bürgers Lyrik laut zitiert?
  Wir stimmen nur zögernd ein:
  Soll das ein Oberarzt schon sein?”

       Das vollständige Werk

 

Den fiktiven Brief von Bürger an dessen Verleger eines unbekannten Autors veröffentlichte Maassen in Ein Dutzend Briefe von Kant, [...] Halbe 1908

      Der fiktive Bürger-Brief

 

Beiblatt zum Kladderadatsch 17. April 1910
Schreckliches Traumbild des Herrn v. Jagow
    (Frei nach Bürger)
     (Der Polizeipräsident hat den Rollschuh-
     läufern das Wettlaufen und das Laufen
     in Ketten auf den Straßen verboten.)
Um ihn herum beim Mondenglanz,
Da rollten sie im Kreise,
Im Wettlauf und im Kettentanz,
So flink wie auf dem Eise,
Und heulten: ‘Bis das Rädchen bricht,
Rollt, rollt! Und rennt ihn um, den Wicht,
Und alle, die uns trennten!
Wir warnen Präsidenten!’

Das Lied vom Biedermann
   (Noch freier nach Bürger)
Hoch klingt das Lied vom Biedermann,
O Themis, nimm den Martin hoch!
Wer so Millionen sich gewann,
Den straft nicht Geld - der muß ins Loch!”

 

 

 

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