Meinungen zu G. A. Bürger und seinem Werk

Im Bürger-Archiv gibt es ein sehr umfangreiches Kapitel Rezeption.
Es handelt sich um editierbare Volltexte, die sich mit Bürger und seinem Werk befassen. Will man Bürgers Wirkungsgeschichte verstehen lohnt es sich in diesem Bereich zu blättern. Die zugehörigen bibliographischen Daten sind in der Bibliothek bzw. der Rezeption des Bürger-Archivs mittels der Jahreszahl zu finden. Teilweise sind es Ausschnitte aus Beiträgen, die vollständig in der Bibliothek zu finden sind. Die Rechtschreibung folgt jeweils dem Original. Im Bürger-Archiv ist die Rezeptionsgeschichte in Gruppen von jeweils maximal 200 Einträgen dargestellt.
Eine bedeutende Rolle spielt das Verhältnis Schiller zu Bürger, da dieses entscheidend für die Wahrnehmung Bürgers seitens der Literaturwissenschaft war. Vereinfacht gesagt lassen sich zwei Meinungsblöcke unterscheiden: einmal die Literaturgeschichten, deren Verfasser meist den Schillerschen Idealismus vertreten (was in gewisser Weise die offizielle Sichtweise war) und das Feuilleton, das vorwiegend Bürgers Realismus bevorzugt.
Wegen der Vielzahl der Beiträge gibt es die Möglichkeit, gewisse Zeiträume auszuwählen:


ab 1835     

 

ab 1880    

 

nach 1945
 

1773 Johann Wolfgang von Goethe
“Das Minnelied von Herrn Bürger ist besserer Zeiten werth, und wenn er mehr solche glückliche Stunden hat, sich dahin zurück zu zaubern, so sehen wir diese Bemühungen als eins der kräftigsten Fermente an, unsre empfindsamen Dichterlinge mit ihren goldpapiernen Amors und Grazien, und ihrem Elysium der Wohlthätigkeit und Menschenliebe vergessen zu machen.”


1773 Heinrich Christian Boie [an Bürger]
“Falk grüßt Sie und schreibt, daß Alles um ihn von Lenore voll ist, und daß er sie auswendig weiß. Göthe hat sehr begeistert mit ihm davon gesprochen.”

1774 Johann Wolfgang von Goethe an Bürger
“Ich schicke Ihnen die zweyte Auflage meines Göz. […] Ich thue mir was drauf zu gute, dass ich's binn der die Papierne Scheidewand zwischen uns einschlägt. Unsre Stimmen sind sich oft begegnet und unsre Herzen auch. Ist nicht das Leben kurz und öde genug? sollen die sich nicht anfassen deren Weg mit einander geht. Wenn Sie was arbeiten schicken Sie mirs.
Ich wills auch thun. Das giebt Muth. Sie zeigens nur den Freunden ihres Herzens, das will ich auch thun. Und verspreche nie was abzuschreiben.”

1774 Anonym
“Vielleicht wollte Hr. B. aber auch weiter nichts, als seine Kunst in Schilderung grauenvoller Scenen zeigen, in welcher Absicht das Lied allerdings ein Meisterstück ist; daß Lenore den Leser für sich intereßiren sollte, verlangt er wohl nicht. Der Character selbst ist nicht sehr wahrscheinlich. Verunglückte Liebe, geht bey dem sanften Geschlechte, leicht in Andacht über, am allermeisten war das bey der Tochter einer so vernünftig frommen Mutter zu vermuthen. So hätte Lenore des Lesers Mitleid gewonnen, und über ihr Grab wären Thränen geflossen, wie über Heloisens Grab fliessen: jetzo wendet der fühlende Leser das Gesicht von einer Rasenden die sich wider Gott empört, und der Seligkeit entsaget.”

1774 Johann Georg Jacobi
“Nichts weiter mehr von den gegenwärtigen, als ein Glückwunsch an Hrn. Bürger zu seiner Lenore. Welche Kunst in der Behandlung eines solchen Gegenstandes! Eine beständige Mischung des Comischen und des Gräßlichen, ohne daß sie beleidigt! Am Putztisch und am Spinnrocken auswendig gelernt, und vom Kenner bewundert! Ein Gespenstermährchen, und ein Meisterstück der Poesie!”

1778 Christoph Martin Wieland
“Wer, in kurzem, wird nicht Bürgers Gedichte auswendig wissen ? In welchem Hause, in welchem Winkel Teutschlands werden sie nicht gesungen werden ? – Ich wenigstens kenne in keiner Sprache etwas Vollkommeneres, in dieser Art; nichts das dem Kenner und Nichtkenner, dem Jüngling und dem Manne, dem Volk und der Klerisei, jedem nach seiner Empfänglichkeit, so gleich angemessen, genießbar, lieb und Wert sein müsse als Bürgers Gedichte.[...] Die meisten scheinen, so lebendig und rein und ganz wie sie da stehen, auf einmal aus dem Wesen des Dichters hervorgekommen zu seyn, wie Minerva aus Jupiters Kopfe - Wahre Volkspoesie - und doch alles, was nicht blos Ausguß der Burlesk-komischen Laune eines Augenblicks ist, so schön, so poliert, so vollendet! und bey allem denn doch so leicht, so wie durch einen Hauch hingeblasen! und bey aller dieser Leichtigkeit und Grazie, doch so lebendig und markicht, so voll Saft und Kraft! Leib und Geist, Bild und Sache, Gedanke und Ausdruck, innere Musik und äussere Melodie der Versification, immer Alles so Ein Ganzes!”

1781 Karl August Kuetner
“So ganz frey von Nachahmung, als Bürger, sind nur wenige Dichter unsers Jahrhunderts. Weder die Griechen, noch Horaz, noch die französischen Liedersänger waren seine Führer und Muster; nur in seinen Romanzen blickt Studium der alten englischen Balladen durch. Er ist ein Mann von teutschem Geist und teutschem Herzen, originell in seinen Erfindungen und im Ausdrucke populär und erhaben. Seine kleinsten Lieder sind voller Geist und Grazie, warm und markigt, und von unbeschreiblicher Lieblichkeit. Er singt Liebe, Freundschaft und Freude mit eigenthümlicher Züchtigkeit und Naivetät, er lehrt Tugend und teutschen Biedersinn mit einnehmender Ueberredung. Bald rührt er die Leyer zum Preise der holdseligen Mutter Natur, oder ihres Meisterstücks, der weiblichen Schönheit, bald erweckt er Empfindungen, die jede Nerve des Gefühls erschüttern. Unsrer Sprache ist er ganz mächtig; er hat Worte von altem Schrot und Korn und viele burleske Wendungen, ächten Witz und überfließende Laune.”

1789 Christian Gottlob Heyne
“Aber allen Zauber der Kunst, Pracht von Bildern und Symbolen, Schätze der Sprache, Musik des Versbaues und was mehr ist, die ganze Fülle und Tiefe seiner Empfindungen hat der Dichter in dem hohen Liede von der Einzigen aufgeboten. Es ist, nach des Rec. Gefühl, das erhabenste und vollendetste in der lyrischen Poesie, was unsere Sprache aufzuweisen hat.”

1789 Friedrich Schiller
“Bürger war vor einigen Tagen hier, und ich habe die wenige Zeit, die er da war, in seiner Gesellschaft zugebracht. Er hat gar nichts Auszeichnendes in seinem Aeußern und in seinem Umgang - aber ein gerader, guter Mensch scheint er zu seyn. Der Charakter von Popularität, der in seinen Gedichten herrscht, verläugnet sich auch nicht in seinem persönlichen Umgang, und hier, wie dort, verliert er sich zuweilen in das Platte.”

1791 Friedrich Schiller [Recension über Bürger's Gedichte]
“Unmöglich kann der gebildete Mann Erquickung für Geist und Herz bey einem unreifen Jüngling suchen, unmöglich in Gedichten die Vorurtheile, die gemeinen Sitten, die Geistesleerheit wieder finden wollen, die ihn im wirklichen Leben verscheuchen. [...]
Alles, was der Dichter uns geben kann, ist seine Individualität. Diese muß es also werth seyn, vor Welt und Nachwelt ausgestellt zu werden. Diese seine Individualität so sehr als möglich zu veredeln, zur reinsten herrlichsten Menschheit hinaufzuläutern, ist sein erstes und wichtigstes Geschäft, ehe er es unternehmen darf, die Vortreflichen zu rühren. [...]
Kein noch so großes Talent kann dem einzelnen Kunstwerk verleihen, was dem Schöpfer desselben gebricht, und Mängel, die aus dieser Quelle entspringen, kann selbst die Feile nicht wegnehmen. [...]
Und hier müssen wir gestehen, daß uns die Bürgerischen Gedichte noch sehr viel zu wünschen übrig gelassen haben, daß wir in dem größten Theil derselben den milden, sich immer gleichen, immer hellen, männlichen Geist vermissen, der, eingeweiht in die Mysterien des Schönen, Edeln und Wahren, zu dem Volke bildend herniedersteigt, aber auch in der vertrautsten Gemeinschaft mit demselben nie seine himmlische Abkunft verläugnet. Hr. B. vermischt sich nicht selten, mit dem Volk, zu dem er sich nur herablassen sollte, und anstatt es scherzend und spielend zu sich hinaufzuziehen, gefällt es ihm oft, sich ihm gleich zu machen. [...]
Eine der ersten Erfodernisse des Dichters ist Idealisirung, Veredlung, ohne welche er aufhört, seinen Namen zu verdienen. [...]
Es konnte uns eben darum auch nicht sehr angenehm überraschen, als wir in dieser Gedichtsammlung, einem Unternehmen reiferer Jahre, sowohl ganze Gedichte, als einzelne Stellen und Ausdrücke wieder fanden, (das Klinglingling, Hopp hopp hopp, Huhu, Sasa, Trallyrum larum, u. dgl. m. nicht zu vergessen,) welche nur die poetische Kindheit ihres Verfassers entschuldigen, und der zweydeutige Beyfall des großen Haufens so lange durchbringen konnte. [...]
Gerne gestehen wir, daß wir das ganze Heer von unsern jetzt lebenden Dichtern, die mit Hn. B. um den lyrischen Lorbeerkranz ringen, gerade so tief unter ihm erblicken, als er unsrer Meynung nach, selbst unter dem höchsten Schönen geblieben ist.”

1791 Friedrich Schiller [Vertheidigung des Recensenten]
“Dieses Publikum, welches sich seines Wieland's, Goethe's, Geßner's, Lessing's erinnert, dürfte schwerlich zu überreden seyn, daß die Reife und Ausbildung, welche Recensent von einem vortrefflichen Dichter fordert, die Schranken der Menschheit übersteige. Leser, welche sich der gefühlvollen Lieder eines Denis, Göckingk, Hölty, Kleist, Klopstock, v. Salis erinnern, welche einsehen, daß Empfindungen dadurch allein, daß sie sich zum allgemeinen Charakter der Menschheit erheben, einer allgemeinen Mittheilung fähig - und dadurch allein, daß sie jeden fremdartigen Zusatz ablegen, mit den Gesetzen der Sittlichkeit sich in Uebereinstimmung setzen und gleichsam aus dem Schooße veredelter Menschheit hervorströmen, zu schönen Naturtönen werden (denn rührende Naturtöne entrinnen auch dem gequälten Verbrecher, ohne hoffentlich auf Schönheit Anspruch zu machen), solche Leser dürften nun schwerlich dahin zu bringen seyn, idealisirte Empfindungen, wie Recensent sie der Kürze halber nennt, für nichtige Fantome oder gar mit erkünstelten, naturwidrigen Abstrakten für einerlei zu halten. [...]
Hrn. Bürger's Sache wäre es gewesen, die Anwendung der vom Recensenten aufgestellten Grundsätze auf seine Gedichte, nicht aber auf Grundsätze selbst zu bestreiten, die er im Ernst nicht wohl läugnen, nicht mißverstehen kann, ohne Begriffe von der Kunst verdächtig zu machen. Wenn er sich gegen diese Forderungen so lebhaft wehrt, bestärkt oder erweckt er den Verdacht, daß er seine Gedichte wirklich nicht dagegen zu retten hoffe.”

1791 Friedrich von Hardenberg (Novalis)
“Bey Gelegenheit der Lektüre des Don Karlos habe ich noch einmal die Rezension von Bürgers Gedichten gelesen und sie ist mir beynah in der Stimmung, worein Sie mich versezt hatten, noch zu gelind vorgekommen; Da wenigstens der Maaßstab, den Sie darinn nicht, wie viele gethan haben, von der Erfahrung mehrerer Jahrhunderte abstrahirten, sondern ihn apriori aus einem den Gesetzen der Sittlichkeit correspondirenden Gesetze aufstellten und dadurch der Wissenschaft zu einem einzigen Gesichtspunkt verhalfen, der ihr bis dahin mangelte, ihr eine Anwendung und Grenze zeigten, wodurch unfehlbar alles dazu nicht gehörende und falsch angemaßte getrennt und ihr ein Ziel gesezt wird, das im innersten Heiligthume der Schönheit und Wahrheit steht und unendliche Sonnenwege dem forschenden Auge des Genius eröffnet, und dadurch so viel für sie thaten, wie Prometheus der Lichträuber, für die Sterblichen, da wenigstens der Maaßstab, sag ich, sich zu den meisten von Bürgers Gedichten nicht harmonisch verhält. O! ich lerne immer mehr einsehn, daß nur moralische Schönheit, je absichtsloser sie bewürkt zu seyn scheint, den einzig unabhängig, wahren Werth eines jedweden Werks des dichterischen Genies ausmacht: daß nur sie denselben den Stempel der Unsterblichkeit aufdrücken kann und sie mit dem Siegel der Klassizitaet bezeichnet.”

1793 Johann Christian Giesecke
“Wer ließt den größten Theil seiner Gedichte, deren ich einige hieher setze, nicht mit Vergnügen? empfehlen sie sich nicht, im ganzen genommen, durch eine klare, natürliche Sprache, welche sich gleich weit vom Erhabenen und Prosaischen entfernt? ist nicht Reichhaltigkeit der Ideen, sind nicht charakteristische Schilderungen, treffende und bedeutende Züge, gewählte und vielsagende Bilder die Zierde seiner meisten Gedichte? Weis er uns nicht alles so anschaulich darzustellen? die interreßantesten Erwartungen zu erregen? den Aufschluß glücklich zu wenden? kann man nicht aus manchem seiner Gedichte lernen, was poetischer Rhytmus und Fülle sey? und machen diese mannigfaltigen Schönheiten nicht die Fehler verzeihlich, welche der denkende und gebildete Leser hier oder dort nicht übersehen kann?”

1795 Johann Georg Heinzmann
“Mir schaudert, wenn ich eine Tochter mit einem Romane in der Hand erblicke - da sie arbeiten sollte. Die ihre besten Stunden des Tages mit der Leseläden Lektüre tödtet; die zwecklos alles liest, was nur immer modisch-neues erscheint, die damit buhlt, und in ihrem Herzen mehr als einmal die Schamhaftigkeit tödtet, und die sittlichen Gefühle alle zum Schweigen bringt; die sich nach und nach gewöhnt, Wohlgefallen an den recht schmutzigen Schilderungen zu finden; die einen Bürger, einen Musenalmanachsdichter mit geiler Lust auswendig lernt, und laut hersagt, was ein gesittetes Frauenzimmer ehemals weder hören noch lesen wollte. - Auch geschieht es ganz gewöhnlich nun heut zu Tage, daß die Männer, die solche Weibchen heyrathen, Hörnerträger werden, wie es so manchem Schriftsteller schon selbst geschehen ist . - Wenn er nun in Praxi an seiner Gattin übergehen siehet, was er so unschädlich im Buchstaben glaubte!”

1798 Johann Gottfried Herder [Rezension Althofs Bürger-Biographie]
“Traurige Nachrichten, vom Arzt und Freunde des Dichters treu, aber schonend gegeben. Jeder studirende Jüngling lese sie als Warnung [!]. Er siehet hier einen Mann von edlen Anlagen des Geistes und Herzens nicht nur nicht werden, was er seyn konnte, sondern sieht auch die Ursachen, warum er's nicht ward, auf eine schreckhafte Weise.
  Auch in dem feinsten Vergnügen gibt es ein Uebermaß, das, wenn die Seele sich dazu gewöhnt, A u s s c h w e i f u n g (débauche) wird. Es entwöhnt von Berufsgeschäften, von Ausdaurung bei mühsamen oder ungefälligen Arbeiten; es macht zuerst leichtsinnig, dann oberflächlich und gegen sich selbst gelinde, zuletzt matt und über sich selbst verzagend. Wer seine Kräfte nicht fortwährend auch an den ungefälligsten Arbeiten, sobald sie uns Pflicht sind, üben lernte, ward nie Meister über sich selbst, genießt also auch nie die edelste Gewißheit, sich selbst gebieten zu können und geht, wenn ihn das Glück nicht außerordentlich anlacht, mit dem besten Gemüth, mit den schönsten Anlagen drohenden Gefahren entgegen. Bürgers Lebensgang zeigt dieses Schritt für Schritt. Er lernte vieles, nur nicht sich selbst bezwingen, anhaltend ausdauern, Maß und Zweck seiner Bestimmung kennen; er ward also nie sein selbst mächtig. [...]
Bürgers Leben ist in seinen Gedichten; diese blühen als Blumen auf seinem Grabe; weiter bedarf er, dem in seinem Leben Brod versagt ward, keines steinernen Denkmals. Möge eine freundschaftliche Hand Bürgers Gedichten die Flecken nehmen, die zuweilen in den besten Stellen eben aus seinen Lebensumständen ihnen wie angeflogen sind, daß eine Ausgabe solcher gewählten Stücke zum bleibenden Ruhm des Dichters veranstaltet werde. Wer könnte dieß zarter und besser thun, als Bürgers Freund, Boje?”

1800 Christian Friedrich Rudolf Vetterlein
“Trotz allem, was die Kritiker mit Recht und Unrecht gegen diese Lieder [Bürgers] eingewandt haben, hat sie doch das lesende und singende Publikum seit ihrer Erscheinung in Schutz genommen; der wahre Volkston, die treffenden Selengemälde, die sie aufstellen, das warme Lob der Tugend und Unschuld, das sie enthalten, erwarben ihnen diesen Beifall, und manches wird vielleicht noch lange Volkslied, in edlerm Sinne des Wortes, bleiben.”

1802 Christian Gotthilf Salzmann
“Mehrere seiner zarten und süßen Lieder auf Molly spielen Lust und Schmerz in das Herz, aber beydes oft zu stürmisch und zu laut; eben dieser wilde Sturm, dieses Uebermaß von Leidenschaft und diese Ueberladung von Bildern machen sein hohes Lied auf Molly, welches er eine Zeitlang partheyisch genug allen seinen Gesängen, selbst der Lenore, vorzog, zu einem bloßen rhetorischen Prachtstück.”

1805 Friedrich Bouterwek
“Am wenigsten war Schiller als Aesthetiker zum Recensenten fremder Kunstwerke berufen. Nicht einmal über sich selbst konnte er, wie seine Briefe über seinen eigenen Don Carlos beweisen, ohne täuschende Spitzfindigkeit räsonniren. Denn seine kritische Argumentation ging fast immer nur von einem interessanten Einfalle aus, den er an einem Gegenstande erprobte, indem er den Gegenstand zwang, sich nach dem Einfalle zu bequemen. Fremde Kunstwerke mass er noch dazu mit dem Maasstabe seiner eigenen Poesie. In der auffallenden Einseitigkeit, mit der er Bürgers Gedichte recensirt hat, erkennt man, bey aller Würde und philosophischer Vorbereitung, mit der diese Recension auftritt, nicht den liberalen Geist, der alles Verdienst, sey es auch dem seinigen noch so unähnlich, mit Wärme umfasst, und der vollends nie ungerecht wird zu Gunsten eines Einfalls. Schiller wollte Bürger's poetisches Verdienst ganz unbefangen würdigen. Aber es misslang ihm, weil er seine Idealpoesie der Bürgerischen Naturpoesie zum stätigen Muster vorhielt.”

1805 Samuel Baur
“Giebt es irgend eine Dichtart, die noch jetzt ähnliche Wirkungen auf das Gefühl und die Gesinnungen der Menschen hervorbringen kann, wie sie die ursprüngliche Poesie, als sie noch keine Schriftstellerei, sondern lauter lebendiger Vortrag war, so mächtig und sichtbar hervorbrachte; so ist es die populäre Liedergattung. Und besaß irgend einer von unsern Dichtern das Talent, so zu wirken, in seinem ganzen Umfange, so war es Bürger, der Sohn des Pfarrers zu Wolmerswende:”

1810 Arnold Hermann Ludwig Heeren
“Nicht darnach wird der Werth einer Literatur gemessen, wenigstens nicht unbedingt gemessen werden können, wie sie der andern Nation gefällt; sondern vielmehr darnach, wie sie für ihre eigene Natur paßt. Als Bürger's Lenore erschien, wußte man sie auch auswendig von der Elbe bis zur Donau. Darum war sie vortrefflich, und hätten alle Kritiker der Welt das Gegentheil demonstrirt.”

1809 Conversations-Lexikon oder kurzgefaßtes Handwörterbuch, Amsterdam.
“Wenige Dichter haben das Glück, so allgemein gelesen zu werden, als dieser Lieblingsdichter unsrer Nation. Auch ist nicht nur der Stoff seiner Gedichte der allgemeinen Empfindungsart so angemessen, sondern auch der Ton derselben der lebendigen Mundsprache so entnommen, da es ihm unmöglich fehlen konnte, unter allen Classen von Lesern Freunde zu gewinnen. Und wiewohl man mit Grund befürchten muß, daß man, indem man ihm den Namen eines Volksdichters beigelegt, vorzüglich an diejenigen Eigenschaften seiner Werke gedacht habe, welche denselben sogleich auch bei den weniger gebildeten Ständen Eingang verschaffen, so würde man doch sehr irren, wenn man glauben wollte, da er das feinere Gefühl beleidige und für die gebildeten Stände weniger genießbar wäre, wenn er auch das Ideal des Dichters, welches der Recensent seiner Gedichte in der Jenaischen A. L. Z. vielleicht selbst idealisch, entwirft, nicht erreicht haben sollte.”

1812 Franz Horn
“Von den Gedichten an Molly, besonders aber von dem: ´Als Molly sich losreißen wollte,’ mögen wir nichts weiter sagen, als daß wir uns von ihnen beinah dieselben Wirkungen versprechen dürfen, als von Tamino´s Zauberflöte. Vielleicht noch größere, da bekanntlich die meisten Thiere, die sonst nützlichen Hunde abgerechnet, sich ohnehin ziemlich musikalisch erweisen.
Der größte Fehler, den Bürger jemals beging, war, daß er auch scherzen wollte, welches ihm, wenigstens in gedruckten Schriften, niemals geglückt ist.
Daß übrigens einige rohe Schriftsteller und Nicht-Schriftsteller ihn im Allgemeinen für ein wenig roh erklärt haben, muß der Literaturhistoriker leider mit anführen; sonst ist es freilich am besten, sich an dergleichen Unziemlichkeiten nicht zu erinnern.”

1830 Johann Wolfgang von Goethe
“Daß Bürger's Talent wieder zur Sprache kommt, wundert mich nicht. Es war ein entschiedenes deutsches Talent, aber ohne Grund und ohne Geschmack, so platt wie sein Publikum. Ich habe gewiß, als junger Enthusiast, zu seinem Gelingen vor der Welt viel beigetragen, zulezt aber war mir's doch gräßlich zu Muthe, wenn eine wohlerzogene Hofdame, im galantesten Négligé, die Frau Fips oder Faps [Schnips], wie sie heißt, mit Entzücken vordeklamirte. Es ward bedenklich, den Hof, den man ihr zu machen angefangen hatte, weiter fortzusehen, wenn sie auch übrigens ganz reizend und appetitlich aussah.  
  Schiller hielt ihm freilich den ideal-geschliffenen Spiegel schroff entgegen und in diesem Sinne kann man sich Bürgers annehmen; indessen konnte Schiller dergleichen Gemeinheiten unmöglich neben sich leiden, da er etwas anderes wollte, was er auch erreicht hat.
 Bürger's Talent anzuerkennen, kostete mich nichts. Es war immer zu seiner Zeit bedeutend. Auch gilt das Aechte, Wahre daran noch immer, und wird in der Geschichte der deutschen Literatur mit Ehren genannt werden.”

 

Meinungen ab 1835